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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Götting
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ich, wie speziell: Da hängt die beigefarbene Rommel-Uniform unseres Freundes. Und zwar in zweifacher Ausführung.
    »Okay«, sagt Lena und deutet auf den Pipi-Kacka-Behälter. »Hier ist der Ausgießstutzen. Wenn es zu schnell rauskommt, spritzt es. Dann musst du zur Seite springen.« Sie sagt: »Es sieht halt immer irgendwie scheiße aus, wenn man die Dinger leert.«
    Ich hebe den Container von der Sackkarre runter. Er wiegt so viel wie eine ordentlich bestückte Langhantel. »Wahnsinn, ist das schwer!«
    »Deswegen sage ich ja – immer ein bisschen mitrechnen beim Pieseln und lieber öfter ausleeren. Dann ist der nicht so schwer.«
    »Na super.«
    Das WC Kimik sieht aus wie diese Steh-Toiletten, die ich eh hasse. Es riecht nur noch ein bisschen krasser.
    »Und jetzt«, sagt Lena, »halt besser die Luft an, wenn du da reingehst, und versuch einfach, nicht zu atmen.«
    Ich beuge mich nach vorn und verrenke mir fast die Arme. Ich lasse den Tankinhalt extra langsam herauslaufen, was allerdings auch bedeutet, dass ich länger als nötig in der Kabine stehe. Ich denke noch: Jetzt bloß nicht in Ohnmacht fallen!
    Das mit dem Kuscheln ist dann irgendwie ausgefallen. So viel also zur calvinistischen Logik des Campens. Immerhin ist Lena am Nachmittag mit mir ins Meer gegangen. Aus Furcht vor Salzwasser-Spritzern hat sie dabei allerdings immer den Hals gereckt und den Kopf gestreckt wie ein stolzer Schwan. Es sah sehr anstrengend aus. Und das war es bestimmt auch.
    Auf unserem Weg ins Ristorante sehen wir am Horizont, wie die Sonne als knallroter Feuerball ins Meer rutscht. So ähnlich wie in dem Lied von den Capri-Fischern. Auf der Wiese müssen wir wieder den richtigen Moment erwischen, um einigermaßen trocken die Rasensprenger zu passieren. Und kurz bevor wir die Terrasse erreicht haben, sehe ich schon einen Mann mit einer Gitarre auf der kleinen Mauer sitzen und singen. Er trägt eine weiße Leinenhose, und sein weißes Hemd ist exakt um einen Knopf zu weit geöffnet.
    Fabio.
    Er singt einen italienischen Schlager und ist umringt von ein paar kleinen Mädchen und einem Trio reiferer Damen. Als er uns kommen sieht, fängt er eine Schnulze an, bei der es offensichtlich mehr auf den Text ankommt, jedenfalls gehört es wohl dazu, dass er nur ganz gelegentlich, aber dafür umso dramatischer an den Saiten zupft. Er singt: »Ti amo davvero / ti amo lo giuro / … ti amo ti amo davvero!« Ich liebe dich wirklich / ich schwöre, ich liebe dich / … ich liebe dich wirklich!
    »Oooooh, das ist ›Piccolo Grande Amore‹«, ruft Lena, »von Claudio Baglioni, mein absolutes Lieblingslied!« Sie beginnt mitzusingen, und zwar erstaunlich textsicher. Dabei sieht sie Fabio an. Und lächelt.
    Mir ist schon klar, dass Lena nicht zu den Frauen gehört, die auf die Tanzfläche stürmen, wenn die Sex Pistols laufen, aber das hier ist mir echt eine Spur zu schmalzig. Und Fabio singt so leidenschaftlich, als ginge es um sein Leben. Am Ende klatschen die Mädels ganz verzückt, und er lässt erschöpft die Gitarre sinken.
    Es ist, als würde sein Herz jetzt offen auf dem Pflasterstein liegen.
    »Wow! Respekt!«, sage ich, als Fabio langsam von der Mauer steigt. Wir machen einen Skifahrer-Handshake, so Faust an Faust. »Und du bist also der Ramazzotti von Sepiana, oder?«
    Fabio nickt dankbar. Vermutlich hat er das als Kompliment fehlinterpretiert.
    Um ehrlich zu sein, muss ich an das Lied »Fürstenfeld« von STS denken, einem absoluten Austropop-Klassiker. Darin geht es um einen armen Jungen aus der steirischen Provinz, der mit seiner Gitarre in Wien auf der Kärtnerstraß’n steht und einsam »Blowin’ in the Wind« spielt. Und am Ende will er doch nur wieder heim. Diese Kärntnerstraße liegt übrigens keine zwei Minuten vom Naschmarkt entfernt, wo der Fabio seine Segafredo-Bar hatte.
    »Oida«, sagt Fabio in feinstem Österreichisch, »bei mir in der Bar haben die Mädchen geweint, wenn ich das gesungen habe.«
    »Aber ihre Schlüpfer haben sie angelassen, oder?«, frage ich.
    Fabio grinst und schweigt. Die älteren Damen halten den kleinen Mädchen die Ohren zu und blicken mich vorwurfsvoll an.
    »Ich liiiebe ›Piccolo Grande Amore‹«, seufzt Lena, »wusstest du das noch?«
    »Bellissima, ich weiß sogar noch, wie dein Parfüm gerochen hat.«
    »Va bene« , sage ich, »dann gemma an Schnitzel essen!«
    In Fabios zurückgegeltem Haar steckt eine Sonnenbrille, aber eindeutig eine andere als neulich. Ich glaube ja, dass Typen wie er

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