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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Götting
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perfekt gebügeltes blaues Hemd, einen sehr vernünftigen Seitenscheitel und eine Brille mit dünnem Metallrand. Neben ihm die Gattin und die beiden Gründe für seine Vasektomie – ein etwa dreijähriger Junge und seine geringfügig ältere Schwester. Wobei »sitzen« eine sehr vorläufige Beschreibung ist. Der Kleine ist gerade aufgesprungen. Jetzt schnappt er sich ein rotes Puky-Laufrad und fährt die kleine Rampe hoch, über die es nach drinnen geht. Unter dem Vordach dreht er, fährt mit zweimal Abstoßen zurück zur Rampe und lässt sich, die Beine in die Luft gestreckt, in dermaßen furchtlosem Tempo hinunterrollen, dass ich als Vater sofort Knieschoner und einen Helm holen würde.
    Der Mann ohne Samenstränge – seinen Namen hatte ich sofort vergessen – versucht, seinen Sohn so gut es geht zu ignorieren, zumal er gerade seiner Tochter zu erklären versucht, dass es einen Lolli frühestens nach dem Essen gibt.
    »Ich will aber jetzt einen«, sagt sie trotzig. Sie steht auf und geht nach drinnen zur Bar, wo auf einem kleinen Tisch, in nicht mal einem Meter Höhe und somit als perfekter Kinder-Blickfang, eine Art Igel mit Chupa-Chup-Lutschern aufgebaut ist. Ich finde, Eltern sollten Restaurant- und Supermarktbesitzern, die dermaßen ruchlos sind, auch die Zahnarzt-Rechnungen ihrer Kinder zustellen dürfen.
    »Jetzt bist du aber dran«, sagt die blonde Frau, während sie mit den Fingern auf dem Tisch trommelt, »gehst du mal hinterher?«
    »Das ist der Typ, von dem ich dir erzählt habe«, sage ich.
    »Welcher Typ?«, fragt Lena.
    »Na, der mit der Vasektomie.«
    »Was ist denn eine Vasomie?«, fragt Fabio.
    Etwas, das ich dir auch empfehlen würde, denke ich. Aber sage es natürlich nicht. Stattdessen mache ich mit Mittel- und Zeigefinger das Schnipp-Schnapp-Zeichen – dummerweise genau in dem Moment, als die Frau zu uns rüberschaut.
    Lena und Fabio sprechen zur Abwechslung jetzt mal wieder deutsch, was mich aber auch nicht weiter in ihre Konversation einbezieht. Es geht natürlich um alte Zeiten, Achtzigerjahre am Strand von Sepiana, als es hier noch eine weitere Beachbar gab, in der Fabio regelmäßig gearbeitet hat, wenn er nicht gerade mit seinem Surfbrett bella figura auf dem Wasser gemacht hat. Die alte Strandbar haben sie vor ein paar Jahren in einen Ultra-Premium-Bungalow umgewandelt, mit zwei Schlafzimmern und eigener Terrasse, die in den Sand hineingebaut ist. Er steht keine hundert Meter von unserem Wohnwagen entfernt.
    Der Seitenscheitel-Vater ist inzwischen mit seiner Tochter zurück. Sie hat einen Chupa-Chup-Lolli zwischen den Zähnen, und er gerät gegenüber seiner Frau jetzt erheblich in Erklärungsnotstand. »Da musst du dann auch mal durchgreifen«, meckert sie.
    »Aber es sind doch Ferien«, entgegnet er zaghaft.
    Mit einem Mal scheppert es, und der Steinboden ist übersät mit Scherben. Der kleine Racker ist mit seinem Laufrad frontal in Tanja reingerauscht, Ercoles deutsche Frau, die gerade ein Tablett mit abgeräumten Gläsern und Tellern abtransportierte. Der Junge liegt auf dem Boden und heult und hält sich das Knie. Wenigstens ist er nicht in die Scherben gefallen. Tanja flucht abwechselnd auf Deutsch und Italienisch.
    »Torben!«, ruft die blonde Mami, wobei sie das r in Torben nicht rollt, sondern grollt. Sie springt auf und hebt ihren Sohn wütend am Ellbogen hoch.
    »Du solltest doch nach den Kindern sehen«, faltet sie in der nächsten Sekunde ihren Mann zusammen. Und wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig deute, denkt er wahrscheinlich schon darüber nach, ob er sich nach seinen Spermien nicht am besten auch von der Familie trennt.
    Die Lockenkopf-Kellnerin kommt mit Besen und Kehrschaufel, während Tanja, ohne ein weiteres Wort zu sagen, hinter die Bar abgezogen ist, wo sie sich sofort einen doppelten Grappa reinkippt.
    »Alles okay mit dem Kleinen?«, fragt Lena besorgt zum Nachbartisch rüber. In solchen Momenten nimmt sie auch gern mal fremde Kinder in den Arm oder auf den Schoß.
    »Ja, ja, alles in Ordnung«, sagt Blondie genervt, bevor sie sich an Torben wendet: »Ich hab dir tausendmal gesagt, du sollst aufpassen. Wenn ihr euch jetzt nicht benehmt, geht ihr ohne Essen ins Bett.«
    Ich fürchte, das ist eine Drohung, die diese beiden Kinder durchaus als Belohnung auffassen könnten.
    Fabio knabbert inzwischen an seinem zweiten Zahnstocher, was für mich ein Signal ist, mir mal wieder eine Zigarette anzustecken.
    Er fährt damit fort zu erzählen, was aus einem

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