Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Dunkel höre ich ihn im Weggehen schimpfen. »Das hat ein Nachspiel. Verlassen Sie sich drauf.«
Willi stößt seinen Bierkrug an meinen. »Prost, mein Lieber. Da hast du dir einen Feind fürs Leben gemacht.«
Pünktlich zur zweiten Halbzeit geht das Licht wieder an. Irgendwer muss dann doch den Generalschalter gefunden haben. Wahrscheinlich hing der Elektriker noch bei Ercole an der Bar rum und hat sich erst um das Problem gekümmert, als auch beim Italien-Spiel Pause war. Im Restaurant hatten sie jedenfalls keinen Blackout, wie Willi rausgefunden hat, als er in der Zwischenzeit zu seinem Wohnwagen ging, um den Holzkohlegrill zu holen. Dessen Feuer hat auch erst mal für ein wenig Beleuchtung gesorgt.
Willi wendet das Fleisch, dann hockt er sich wieder vor den Fernseher. Fleisch, Fußball, Fleisch, Fußball. Ich glaube, mir hat er diese Aufgabe nicht mehr übertragen wollen. Das Spiel ist gemessen an den Fußballfesten der jüngeren deutschen Nationalelf-Geschichte ein miserables Gegurke. Kurz vor dem Ende verwandeln die Polen noch einen Elfmeter und feiern, als wären sie schon jetzt Europameister. Aber mitten in die polnische Party schummelt Cacau mit dem Schlusspfiff den unverdienten Ausgleich für Deutschland ins Tor.
»Sollen wir vielleicht noch die Gemüse-Spieße auf unseren Teppanyaki-Grill legen? So als Dessert?«, frage ich nach dem Spiel und inzwischen schon erheblich angeheitert von drei Bieren auf nüchternen Magen. »Jetzt haben wir ja wieder Strom.«
Lena lacht: »Noch so ein Kurzschluss, und der Typ besorgt sich eine Waffe.«
»Es ist doch so«, sage ich, »ich hab überhaupt kein Problem damit, mich zu entschuldigen, wenn ich irgendwas vermasselt habe. Seit ich sprechen kann, bin ich die Entschuldigung auf zwei Beinen. Aber dieser Kerl geht mir auf die Nerven. Wieso lasst ihr euch das gefallen von dem?«
Willi gerät ins Grübeln: »Keine Ahnung. Vielleicht, weil es immer schon so war.«
»Aber das ist doch kein Argument!« Es mag am Bier oder am Fußball liegen, jedenfalls schlage ich jetzt einen ziemlich pathetischen Tonfall an. »Wisst ihr, ich war dabei, als die Tunesier auf den Barrikaden standen und Ben Ali zum Teufel gejagt haben. In Ägypten haben sie ihren Präsidenten in den Knast gesteckt. Der war auch immer da und hat sie unterdrückt. Oder nimm Libyen, da haben sie einen Bürgerkrieg geführt für ihre Freiheit. Irgendwann musst du dich mal wehren.«
Willi sagt: »Eigentlich hast du recht, Jung. Dem müssen wir mal einen reinwürgen. Ich wollte dem schon immer mal das Maul stopfen. Aber was willst du mit ihm machen? Seinen Wohnwagen anzünden?«
Die Rita schlägt erschrocken die Hand vor den Mund.
»So weit würde ich noch nicht gehen«, sage ich. Kann auch sein, dass ich es lalle. »Aber kleine gezielte Anschläge fände ich schon gut. Versteht ihr? Guerilla!«
Lena isst ihre Gemüsespieße jetzt roh. Jedenfalls die Paprika und die Kirsch-Tomaten. »Du hast einen Knall«, sagt sie.
»Wieso denn? Man kann sich doch nicht im Urlaub von so einem Kasper tyrannisieren lassen. Lass uns mit Ercole und Massimo reden und unsere Strategie besprechen. Die hassen den Kerl doch auch. Da machen bestimmt noch einige Leute sofort mit.«
»Also, der Horst ist garantiert dabei«, sagt Willi. »Und morgen kommt auch der Herbert mit seinem neuen Wohnmobil. Schon bisschen älter, aber ein guter Mann.«
Von Herbert hat Willi schon erzählt. Muss ein guter Typ sein, ein ruhiger Norddeutscher, der gerade eine Viertelmillion Euro in ein gigantisches Wohnmobil investiert und erste Fotos gemailt hatte.
»Wisst ihr was?«, sage ich. »Ich hab hier nie hergewollt, aber mittlerweile gefällt es mir richtig. Und bevor dieser Typ uns vertreibt, vertreiben wir ihn. Was die Araber können, das können wir auch. Dann gibt’s eben den apulischen Frühling.«
Lena schüttet ein Glas Weißwein nach. Sie sagt: »Falls ihr’s noch nicht bemerkt habt – in drei Wochen beginnt der Herbst.«
Otto
Auf unserem weißen Plastik-Campingtisch steht eine Blume. Also eigentlich ist es eher ein bescheidenes buntes Bouquet, das aussieht wie frisch selbst gepflückt. Und es wuchert aus einem Glasgefäß heraus, von dem ich mich schon seit unserer Ankunft frage, ob es eine Vase ist oder ein von Luigi Colani entworfener Bierkrug. Rosen sind dabei und ein paar Pflanzen, von denen ich keine Ahnung habe, wie man sie wohl nennt. Außerdem glaube ich eine Orchideenart zu erkennen.
In Ihrer Liebe zur Flora werden die
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