Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Italiener ja allenfalls von den wie irre gärtnernden Briten übertroffen. Das Grande Paradiso verfügt, wie mir schon aufgefallen ist, trotz der Hitze und der extrem trockenen Sommermonate da und dort über bezaubernde Gartenflächen, vor allem oben an der Rezeption. »Einen Campingplatz ohne Blumen würde ein Italiener auch niemals betreten«, hat mein Schwiegervater mir vor unserer Abreise erklärt. Und der ist ja vom Fach.
Lena liegt unter dem schattigen Dach des Sonnensegels und ist in ein Buch vertieft, auf dessen barbiepuppenpinken Cover »Die Heiratsschwindlerin« steht. Ob das wohl die ideale Lektüre für eine sogenannte Hochzeitsreise ist?
»Heimlicher Verehrer?«, frage ich und nicke mit dem Kopf in Richtung Bierkrug-Vase.
»Heimlich eher nicht. Und Verehrer?« Lena zuckt wurschtig mit den Achseln. »Fabio war eben hier, er wollte wissen, wie’s uns geht. Und mal den Wohnwagen sehen.«
»Den Wohnwagen sehen. Jaja. Will er hier einziehen? Ich dachte, der will, dass du zu ihm ziehst.«
»Du bist doof. Ich finde das total süß. Ich mag Blumen, und du bringst mir ja nie welche mit.«
Fabio stand laut Lena mit seiner knatternden Vespa da, schwarzer Metallic-Lack und cognacfarbene Lederbezüge. Sie wünscht sich genau dieses Modell – und zwar ungefähr seit sie 16 ist und einen Führerschein hätte machen können, wenn ihr Vater es damals nicht verboten hätte.
Das Bild hätte ich zu gern gesehen, wie Fabio einhändig auf der Vespa angebraust kommt, den Helm spätestens oben am Rezeptions-Schlagbaum in die Armbeuge gezogen. In der anderen Hand die Blumen. Ich bin mir sicher, Italiener müssen das draufhaben. Ich würde die Nummer ehrlich gesagt nicht mal auf dem Fahrrad richtig hinkriegen. Weil ich die ganze Zeit Angst hätte, dass ich umfalle.
»Okay, und was wollte er wirklich?«
»Uns besuchen, ganz einfach. Und er hat gefragt, ob wir heute Abend auch bei Ercole zum Essen sind. Er hat da anscheinend gegen sieben einen Termin und danach Zeit.«
Dass der Zeit hat, wundert mich nicht. Als Immobilienmakler in Sepiana.
»Ach ja, und er hat gesagt, wie schade es ist, dass du nicht da bist.«
Ganz genau, denke ich. Und: Die Blumen hat er garantiert aus einem der Beete hier auf dem Platz gestohlen.
Ich war gleich nach dem Frühstück zu Ercole rübergegangen, um ihn ganz vorsichtig in unsere Pläne einzuweihen und als Teil der Guerilla-Truppe zu rekrutieren. Schließlich ist er bestens mit der Umgebung vertraut. Also genau unser Mann. Lena fand das alles so daneben, dass sie sogar lieber auf den Cappuccino verzichtete und am Wagen geblieben ist. »Kindisch wäre ein zu nettes Wort für eure Schnapsidee«, hat sie gesagt, »peinlich übrigens genauso. Es ist mehr als das.«
Ercole war da ganz anderer Meinung. Als ich im Pico Bello ankam, saß er unter dem schmalen Vordach seines Restaurants wie ein missgelaunter U-Bahn-Fahrgast an einem Montagmorgen. Erschöpfte, glasige Augen, und wenn er doch von seinem Corriere de la Sera aufblickte, sah er auf eine frustrierend leere Terrasse.
»Was ist los?«, fragte ich, als ich mich an seinen Tisch setzte. Vorher hatte ich von der Theke noch eine Packung Streichhölzer gemopst.
»Nix los. Siehst du ja.«
Ein leidenschaftlicher Wirt in einem leeren Restaurant ist ein mindestens genauso deprimierender Anblick wie ein trauriger Clown.
Ich bestellte einen Cappuccino bei seiner Lockenkopf-Kellnerin: »Wo sind denn alle?«
»Sitzen vor ihren Wohnwagen und trinken ihren Filterkaffee«, meckerte Ercole. In der Tat hatte ich auf meinem Weg überall die Kaffeemaschinen blubbern und spotzen gehört. Es klang wie im Vorspann der großartigen Büro-Serie »Stromberg«.
»Weißt du, habe ich zehn Jahre in eurem Land gelebt, habe ich eine deutsche Frau – aber ich werde euch nie verstehen. Warum trinke das Zeug?«
»Gute Frage«, sagte ich. Ganze Generationen von Büromenschen haben sich schon den Magen von »Jacobs Krönung« asphaltieren lassen, bevor sie die Plörre über sämtliche Körperöffnungen wieder ausdünsten. Aber solange der Grammpreis von Nespresso in etwa dem von Sterling-Silber entspricht, wird sich daran auch nichts ändern. »Wahrscheinlich hängt das mit dem Krieg zusammen«, versuchte ich eine plausible Erklärung. »Bei uns hängt doch alles mit dem Krieg zusammen. Ich glaube, dass es erst mit dem Wirtschaftswunder wieder richtigen Kaffee gegeben hat, also aus Bohnen und nicht dieses Instant-Zeug. Deshalb ist der auch ein wichtiges Symbol für
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