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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Götting
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Freiheit und Wohlstand. Das ist bei den Ossis heute immer noch so, die haben ihn ja nur zu Weihnachten von Verwandten aus dem Westen bekommen. Verstehst du?«
    Um ehrlich zu sein, machte er nicht den Eindruck, als würde er mich verstehen. Ich glaube, er war schon beim Begriff Wirtschaftswunder ausgestiegen. In Italien gibt es diese Gründungsmythen nicht – auch wenn man sich dort oft genug über die Wirtschaft wundert.
    Wahrscheinlich hatte Ercole einfach nur den klassischen Saisonende-Blues. Ich kenne das aus den Tiroler Bergen: wenn der Stress weniger wird und mit ihm das Adrenalin, wenn die Gastronomen und Hotelangestellten nur noch die Tage abzählen. Wie ein Knasti, der auf seine Entlassung wartet.
    Aus den Lausprechern dudelte das Programm von Radio Swiss Pop, und ich fragte mich, wie er den Sender wohl empfängt, hier am Zipfel von Europa. Ercole hat sich ja an vieles gewöhnt im Laufe seiner vom Pizzabäcker-zum-Pizzabackenlasser-Karriere: dass die Deutschen tagsüber grundsätzlich mit nicht viel mehr als ihren Badeklamotten bekleidet sind, wenn sie sich zum Essen auf seiner Terrasse niederlassen. Dass sie nur abgezähltes Geld dabeihaben und immer getrennt zahlen. Egal wie wenig es ist. All das lässt er sich klaglos gefallen, aber dass sie seinen köstlichen Cappuccino verschmähen, macht ihn fertig. Dabei kostet der nur 1,20 Euro.
    Zumindest hellte sich seine Stimmung ein wenig auf, als ich von unserem Plan erzählte. Es war ja – im Gegensatz zu Lenas Einschätzung – mehr eine Bieridee. Den Schnaps hatten wir Gott sei Dank weggelassen.
    »Weißt du, wie wir solche Leute wie den Burgermeister nennen?«, fragte Ercole.
    »Keine Ahnung.«
    » Feldmaresciallo . Immer alles besser wissen und rumkommandieren. Musst du ihn mal sehen, wenn er mit seiner Frau hier zum Essen kommt. Meckert immer rum, wenn du mal was vergesse und es nix schnell genug geht.«
    Feldmaresciallo . Ich wusste, dass es einen Fußballtrainer gibt, dem man in Italien diesen Spitznamen verpasst hatte: Fabio Capello, der mit Juventus Turin ein paarmal Meister geworden war und als England-Coach genauso versagt hatte wie alle seine Vorgänger seit 1966. Aber Feldmarschall, das passt zu unserem Helmut in der Tat ganz wunderbar.
    Je länger wir darüber sprachen, umso mehr schien sich Ercole für den anarchischen Charme möglicher Sponti-Aktionen zu erwärmen. Er versprach, sich ein paar Gedanken zu machen. Und für den Moment schien seine September-Depression kuriert.
    »Komm, ich creme dir den Rücken ein«, sage ich zu Lena, um sie kurz von ihrem Roman abzulenken. »Du kannst bestimmt auch wieder ins Wasser gehen. Die Wunde ist doch super verheilt.«
    Mit der Albicocca-Creme an den Fingerspitzen lasse ich meine Hände von beiden Seiten unterhalb ihrer Schulterblätter nach vorne gleiten und schließlich unter ihrem Bikini-Oberteil verschwinden.
    »Och Hase«, sagt Lena in so einem tröstenden Tonfall, wie ich ihn von Müttern kenne, die an der Supermarktkasse mit ihren Kindern wegen Kaugummi, Überraschungseiern oder Hello-Kitty-Traubenzucker verhandeln. »Nicht jetzt. Nicht hier.«
    Schwer zu sagen, wie oft ich über Paare gelästert habe, die einander Tier-Kosenamen zusäuseln. Seit ich ein Hase bin, habe ich damit jedenfalls aufgehört.
    »Wir können ja reingehen, Vorhänge zu, und dann lassen wir den Kasten mal so richtig schaukeln.«
    »Du spinnst.«
    Sosehr mich die Zwangs-Geselligkeit eines Campingplatzes nervt – bisher war es ja nicht so, dass wir gänzlich auf intime Momente hätten verzichten müssen. So ehrlich sollte ich sein. Aber man hört ja immer die tollsten Geschichten über Flitterwochen: von Pärchen, die eine Woche lang das Hotelzimmer nicht mehr verlassen. Wir haben da eher einen Mittelweg gewählt. Aber tagsüber?
    »Komm, stell dich nicht so an. Oder gibt’s fürs Kuscheln hier auch feste Zeiten?«
    Meine Hände liegen noch immer auf Lenas Brüsten, als sie sagt: »Was ganz anderes – wie oft warst du jetzt eigentlich schon auf dem Klo? Ich glaube, man müsste mal den Tank auswaschen.«
    Dieser Themenwechsel irritiert mich jetzt. Liegt das an mir oder an diesem Ambiente, dass meine frisch angetraute Frau die schiere Möglichkeit von Geschlechtsverkehr mit dem Hinweis auf Klo-Ausleeren beantwortet? Irgendwas läuft falsch. Ich ziehe meine Hände zurück. Und damit gewissermaßen auch meinen Vorschlag.
    Man müsste mal ist ja die Übersetzung für warum hast du noch nicht?
    »Ich wusste gar nicht, dass man

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