Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
verrückten Surfer-Trio geworden ist, mit dem sie früher immer am Strand rumgehangen sind. Die drei Brüder hießen Gianni, Luigi und Gianluigi. Damals gab es eben noch kein Internet, um nach außergewöhnlichen Namen zu suchen. Die drei haben jedenfalls alle Architektur studiert und sich mit einem gemeinsamen Büro in Padua niedergelassen. Architekt ist in Italien übrigens auch nur ein Euphemismus für Arbeitslosigkeit.
Lena hat diesen Nostalgieglanz in den Augen, den ich ja eigentlich sehr süß finde. Nur leider wirkt er in diesem Moment für mich eher ausgrenzend.
Unsere Tischnachbarn haben aus lauter schlechtem Gewissen noch einen halben Liter Wein bestellt. Vielleicht auch, um sich zu betäuben. Und der Vater hat allen Ernstes angeboten, für den Schaden aufzukommen, woraufhin Ercole ihm ein gönnerhaftes »va bene« entgegnete.
»Papa, kann ich dein Handy haben?«, bettelt das Lolli-Mädchen, das offenbar auf den hübschen Namen Paula hört. Torben und Paula – wenn mich nicht alles täuscht, müssen sie in Kitas am Berliner Prenzlauer Berg Kinder mit diesen Namen durchnummerieren, so populär sind sie da.
»’orben auch Henni«, quäkt der Kleine. Und nach einer kurzen elterlichen Diskussion über die pädagogische Sinnhaftigkeit von Handyspielen sitzen beide Kinder für den Moment brav auf ihren Stühlen – mit den Telefonen in der Hand. Torben trommelt auf das Display von Mamas iPhone ein. Schüsse fallen im Schnellfeuertempo, und Moorhühner krähen erbärmlich im Todeskampf, bevor Torben sie kaltblütig erledigt.
»Wo sind denn eigentlich all die Italiener?«, frage ich.
»Die kommen um diese Jahreszeit immer nur für ein langes Wochenende«, sagt Fabio. »Ach ja, nächste Woche ist auch das große Länderspiel.«
»Schon wieder?« Ich bin etwas irritiert. Müsste nicht bald auch mal wieder die Bundesliga spielen? Ich hoffe nur, dass mir dieses Mal ein größeres Malheur erspart bleibt.
»Nee, hier auf dem Campingplatz. Italien gegen Deutschland, ein paar Jungs aus dem Dorf gegen die deutschen Gäste.«
Anscheinend haben sie 2006 nach der WM in Deutschland damit angefangen. Nach der Schmach von Dortmund, als wir im Halbfinale gegen die Italiener so bitter im Halbfinale ausgeschieden waren, forderten ein paar fußballverrückte deutsche Camper Revanche. Das war leider auch brutal nach hinten losgegangen, weil die Dorfbuben mit lauter jungen Leuten angetreten waren. Aber seitdem ist das sogenannte Länderspiel quasi der inoffizielle Höhepunkt der Feriensaison im Grande Paradiso.
»Spielst du auch mit?«, frage ich.
»Na klar, ich bin Torwart. Der beste nach Gigi Buffon.«
Buffon ist der Torwart von Juventus Turin. Man sagt, sein IQ reiche gerade dafür aus, um ohne Hilfe ins Stadion zu finden, aber er galt jahrelang als der beste Torwart der Welt. Ein klassischer südeuropäischer Schönling, der beim Fußballspielen schon mal ein dekoratives Halstuch trägt und mit seinen zartrosa Trikots auch in der Schwulenszene ziemlich gut ankommt.
»Dann bin ich auch dabei«, sage ich, »wundert mich nur, dass noch keiner was gesagt hat.«
Für die Aufstellung, erklärt Fabio, ist normalerweise der Bürgermeister zuständig. Wer auch sonst? Und insofern ist es keine Überraschung, dass ich noch nichts davon gehört habe. Wahrscheinlich hat sich selbst mein Freund Willi nicht getraut, mir davon zu erzählen.
Auf der Bühne machen sich inzwischen die Leute von der animazione – der DJ und zwei maximal überschminkte junge Frauen – für ihren allabendlichen Auftritt bereit. Und als dann auch noch der Seppi hinzukommt, lassen die beiden Kinder vom Nebentisch sofort ihre Gabeln fallen und ihre Pizzen stehen und rennen los. Vater und Mutter sehen einander resigniert an. Hut ab, diese Kids machen mir Spaß, die haben ihre Eltern verdammt gut im Griff.
Ein gutes Dutzend Kinder klatschen und jubeln; sie machen jetzt wieder den »Chu Chu ua, chu chu ua«-Watscheltanz. Fabio erzählt derweil von einer alten Freundin namens Felicia, die einen schwerreichen, allerdings auch schwergewichtigen Industriellen aus Mailand geheiratet und innerhalb von zwei Jahren drei Kinder bekommen hat.
»Felicia Spinello?«, fragt Lena.
»Esatto«, sagt Fabio. Felicia war offenbar ein Mädchen aus reichem Haus, das jedes Jahr die Strandjungs mit dem besten Gras südlich von Venlo versorgt hat, und sie gelangte zu unvergessenem Ruhm, weil sie als Einzige imstande war, Marihuana-Tüten aus fünf Blättchen zu bauen. Daher der
Weitere Kostenlose Bücher