Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
findet das alles nicht tragisch. Und dem gehört die Kiste hier.«
Lena sagt erst mal nichts mehr.
Ich sage: »Und jetzt geh doch einfach duschen.« Dazu bemühe ich mich um mein unter diesen Umständen charmantestes Lächeln. »Am besten, du duschst kalt. Wenn das bei sexueller Erregung hilft, dann bestimmt auch bei Wut.«
»Du bist einfach ein Trottel«, sagt Lena, während sie sich ihren Waschbeutel und das Handtuch greift. Und ich meine, sogar einen sanften, fast schmunzelnden Unterton rausgehört zu haben.
Matteo spielt seine Rolle absolut überzeugend. Als wir am Trabucco ankommen, tut er völlig überrascht, Lena überhaupt in Sepiana zu sehen. Er schließt sie lange in den Arm, dann sagt er vorwurfsvoll: »Warum hast du dich nicht mal vorher gemeldet?«
Ich finde ihn jetzt schon großartig. Er sieht ein bisschen aus wie der Komiker Jerry Lewis in seinen jungen Jahren, ratzekurz geschorenes Haar, Fünf-Tage-Bart. Und er trägt eine blütenweiße Schürze, in die »Ristorante Il Trabucco« eingestickt ist. Wie der Chefkoch eines Sternelokals. Und die Schoner, mit denen er seine Hemdsärmel auf Dreiviertel-Länge hält, sind schon ganz große Operette.
Nachdem Willi als Wohnwagen-Babysitter zu uns kam, gingen wir am Strand entlang bis ans andere Ende der Bucht, wo ein kleiner Trampelpfad durchs Gestrüpp und über Stock und Stein hinaus auf den Felsen zum Trabucco führt. Hier und da sind kleine Lampen in den Boden eingelassen, was aber offenbar eine recht neue Errungenschaft ist, sagt Lena. Früher muss es dermaßen stockfinster gewesen sein, dass sich einer ihrer Freunde, der zur Sepiana-Prüfung mit ihr im Grande Paradiso weilte, nach dem Essen beim Fischer in der Dunkelheit gestolpert ist und sich dabei einen bösen Bänderriss zugezogen hat.
»Ihr habt Glück«, sagt Matteo, »gerade ist ein Tisch frei geworden.«
Unterwegs hat Lena erzählt, dass Matteo für sie immer wie ein Bruder war. Sie haben jeden Tag zusammen am Strand gespielt, waren surfen, schwimmen, Eis essen. Und als Matteo wie jeder vernünftige italienische Provinzjunge endlich ein Motorrad zum 16. Geburtstag bekam, holte er Lena abends immer ab, um mit ihr nach Sepiana auf den Corso zu fahren.
Das Restaurant ist eine von Bambusmatten und vereinzelten Palmzweigen überdachte Terrasse, um die sich ein hüfthoher und ziemlich löcheriger Holzzaun zieht. Bojen und Fischernetze als Dekoration, Vasen und Glasschüsseln, die mit Sand, Muscheln und Seesternen gefüllt sind. Was man eben am Meer so alles findet. Kräftige Treibholzlatten gehen wie Balken vom Boden nach oben, von der wackeligen Decke hängen Bastrollos herab. Wir sitzen wie an einem geöffneten Fenster und schauen aufs Meer hinunter und auf die glühende Sonne, die gerade am Horizont verschwindet.
In ein paar hundert Metern Entfernung klettert Sepiana wie auf einer Treppe den Felsen hinauf. Ein Ambiente wie auf einer Fototapete. Das Einzige, was die Stimmung geringfügig trübt, sind die Touristen, die sich in den fünfzehn Minuten Sonnenuntergang gegenseitig auf den Klippen fotografieren.
Ercole hatte recht: Wenn es einen perfekten Platz für Romantik gibt, dann ist es dieser. Schummriges Abendlicht, es läuft sanfte Jazz-Musik; an den anderen Tischen eine Menge Einheimische, die sich mächtig aufgestylt haben für ihr Abendessen; die Unterhaltungen erstaunlich gedämpft. Und keine Gefahr, dass ein als Tintenfisch verkleideter Animateur dir die Weingläser vom Tisch haut.
»Komm, ich zeige dir die Speisekarte«, sagt Lena. »Bestellen musst du vorn an der Theke.«
Wir stehen vor einer Bretterbude, die notdürftig zusammengehämmert wirkt und quasi als Anbau wie festgetackert am klaustrophobisch niedrigen Fischerhäuschen klebt. Das Trabucco-Restaurant ist eine Mischung aus wilder Piratenspelunke und Café del Mar. Nur dass diese Strandbude majestätisch auf einem Felsen thront. Die Karte kann sich in den letzten Jahren nicht sehr oft geändert haben. Jedenfalls ist die Handschrift, in der die Gerichte auf dünne Holzplättchen geschrieben sind, ziemlich verblichen. »Melanzane ripiene«, »Spaghetti vongole«, »Fritto misto« und natürlich »Sepia a la Grilia«. Das Einzige, was sich hier gelegentlich zu ändern scheint, sind die Preise. Die sind auf Klebeband geschrieben. Und ziemlich sportlich.
Matteos Schwägerin reicht uns Gläser, eine Flasche Wasser und einen Krug Weißwein aus dem Bestellfenster, dazu bekommen wir ein weißes Stück Papier, auf das sie in die
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