Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
zurückruft, »ich hab schon einen Kurier bestellt, die holen ihn heute noch bei uns ab.«
Ich muss mich bloß ein wenig gedulden, meint er. Sepiana liegt nämlich dermaßen am culo al mondo , dass es keinen Overnight-Kurier gibt.
»Aber spätestens übermorgen habt ihr den Ersatzschlüssel. Du müsstest allerdings das Schloss auseinanderbauen …« Dabei klingt sein Tonfall mehr als skeptisch.
»Natürlich kann ich das nicht«, antworte ich, »aber kennst du noch den Wannen-Willi?«
»Klar.«
»Mein bester Kumpel inzwischen. Der hat schon angeboten, dass er das übernimmt.«
Für Erleichterung braucht es manchmal keine Worte. Nicht mal am Telefon.
Nachdem ich mein Gespräch mit Peter beendet habe, halte ich auf dem Rückweg noch an einem Laden, der mit einem großen Schild auf dem Gehsteig prodotti regionali anpreist. Dort kaufe ich erst mal drei Pullen Grappa als Dankeschön für Willi, Horst und Herbert. Keine Ahnung, ob der womöglich blind macht, aber am Ende zählt ja immer die gute Absicht.
»Kann ich einen Cappuccino haben?«, frage ich Ercole bedröppelt. Ich habe bei meiner Rückkehr gleich vor seinem Ristorante geparkt. Inzwischen hat sich auch seine Frau zu uns gesetzt. Sie steht auf und macht mir einen Cappuccino mit Amaretto. Was sie eben für situationsadäquat hält.
»Der ist schön süß, dann brauchst du keinen Zucker«, sagt Tanja. Sich selbst hat sie einen kleinen Grappa eingeschenkt.
Als ich mein Missgeschick in den etwas größeren Kontext stelle, also die Hochzeitsreise, Fabio, die Tintenfisch-Geschichte, schauen beide so betroffen wie bei einer Beerdigung.
»Okay, sage ich zu Fabio nur so viel – è un coglione «, sagt Ercole. »Erklär ich dir später vielleicht mal, habe ich dafür jetz kein Zeit. Aber muss du kein Sorgen machen.«
Mamma mia , der Cappuccino haut ganz schön rein!
»Gut, aber was würde ein Italiener jetzt an meiner Stelle machen?«, frage ich Ercole.
Allerdings ist es Tanja, die antwortet. »Na, heulend zu seiner Mamma laufen. Und unterwegs sein Handy ins Meer schmeißen.«
»Äh«, macht Ercole und dazu diese Che-cazzo -Geste mit zusammengepressten Fingern.
Tanja redet rasant auf mich ein, während Ercole sich kurz zur Toilette verabschiedet. Der aufgestaute Frust von knapp zwanzig Jahren deutsch-italienischer Ehe in einer gut fünfminütigen Zusammenfassung. Lena hatte mir auch schon erzählt, dass die ehedem bildhübsche Tanja von Jahr zu Jahr verhärmter aussehe.
Italienische Männer, sagt Tanja, reißen sich ein Bein für dich aus, wenn sie dich erobern wollen. Sie lassen Blumen regnen, kaufen dir jede Woche ein neues Parfüm und führen dich groß zum Essen aus. Und kaum hast du den Ehering am Finger, hängen sie nur noch vor dem Fernseher, schauen Fußball und fragen ungeduldig, ob das Essen und die Wäsche schon fertig sind.
»Lena kennt diese Leute hier, sie hat in dem Land studiert und gelebt«, sagt Tanja. »Die ist schlau genug, nicht auf so einen Arsch reinzufallen.«
»Allora« , sagt Ercole, der wieder zurück ist. »Braucht ihr jetzt ein bisschen Zeit für euch. Romantik. Gibte dafür in Sepiana beste Platz von der Welt.«
»Oje, ich ahne es schon«, sagt Tanja.
Ercole greift zum Telefon, es folgt ein langer Monolog. Gelegentlich schaut er zu mir, und ich nehme mal an, dass dies die Schilderung meiner Missetaten ist. Als er auflegt, sagt er: » Bene , Matteo hat gesagt, reserviert euch beste Tisch. Und besorgt er noch ein kleine Überraschung.«
»Matteo? Der Sohn vom Fischer?«
» Esatto . Ihr kriegt den Tisch mit die schönste Aussicht. Musst du spätestens um halb acht da sein, dann geht die Sonne unter. Alles rot. Wie die Liebe!«
Herbert blättert in dem Fritz-Berger-Katalog, den ich mir von Willi ausgeliehen habe.
»Vielen Dank, dass du aufgepasst hast. Hat sich Lena schon blicken lassen?«
»Noch nicht«, sagt Herbert. »Ich kann auch gern dableiben, dann fällt das Donnerwetter vielleicht nicht so schlimm aus.«
»Das ist lieb, aber da muss ich allein durch. Aber wenn ihr heute Abend noch mal nach dem Wagen sehen könntet – das wäre super.«
»Ehrensache.«
Als er zurück zu seinem Charisma geht, haue ich mich mit einem Buch in den Liegestuhl. Normalität vorgaukeln. Entspannt aussehen. Fürs Erste wird Lena gar nicht merken, was passiert ist. Wenn alles gut läuft, könnte ich die Fassade bis kurz vor dem Abendessen aufrechterhalten. Der Wohnwagen steht ohnehin den ganzen Tag offen. Außer wir gehen Kaffee trinken
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