Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Wohnwagen mit einem Loch in der Tür. Und zwar genau dort, wo das Schloss hingehört. Nachdem ich die Sauerei notdürftig geputzt hatte, bin ich sofort rauf ins Dorf gefahren. Mal sehen, ob sich die Sache wieder in Ordnung bringen ließe. Willi, Horst und Herbert hatten zugesichert, in der Zwischenzeit in drei Schichten aufmerksam Wache zu schieben. Und im Zweifel würden sie Lena besänftigen, falls sie früher zurückkommen sollte als ich. »Ist vielleicht sogar besser«, hatte Willi gesagt. »Ich meine, dass eine neutrale Person sie in Empfang nimmt.«
Oben in der Kurve gibt es ja diesen Camping-Laden, der alles hat. Wirklich alles. Zelte, die im Prinzip eine Drei-Zimmer-Wohnung sind. Kleine Gaskocher, die man gleichzeitig als Lampe nutzen kann. Es gibt Feldbetten mit farblich abgestimmtem Moskito-Zelt in mir vertrautem Nato-Oliv. K.-o.- oder Pfefferspray. Aufblasbare Kajaks. Und sogar richtig große Fischernetze. Ich muss an Willis Katalog denken: Wenn der Campingladen eines winzigen süditalienischen Fischerdorfs schon so ein Panoptikum ist, was muss dann erst dieser Fritz Berger für ein Paradies sein?
Ich hatte das extra in meinem Wörterbuch nachgeschlagen: la toppa – das Türschloss. Dank Willis Blitzausbau habe ich es auch gleich mitgenommen und dem Ladenbesitzer auf den Tresen gelegt. Verbunden mit umständlichen und radegebrochenen Erklärungen.
»Sorry, my friend« , sagte er in erstaunlichem Englisch mit einem krassen Cockney-Akzent, als sei er jahrelang im Londoner Eastend Taxi gefahren. Er stellte sich als Luca vor.
Da könne man leider überhaupt nichts machen, erklärte Luca, »entweder du hast noch irgendwo einen Ersatzschlüssel oder du musst ihn bei deinem Hersteller ordern. Und ich sag dir, das kann dauern!«
»Aber kann man vielleicht den Zylinder wechseln oder gleich das ganze Schloss? Einfach ein neues rein?«
»Kann auch nur der Hersteller«, sagte Luca. »Die sind ja nicht blöd. Was meinst du, wie oft so was passiert? Ist ein gutes Zusatzgeschäft.«
Und so blieb mir nichts anderes übrig als die Beichte. Lena würde mir vermutlich Absicht oder Dummheit unterstellen und noch heute Abend bei Fabio einziehen.
Ich setzte mich vor die Kirche, um meinen Schwiegervater anzurufen, und war bereit, jede Strafe zu akzeptieren. Wenn es sein müsste, würde ich auch zwanzig Rosenkränze beten. Auf dem Weg hinunter Richtung Piazza und Corso verbrauchte ich zwei Zigaretten auf 500 Metern. Handyempfang hatte ich auch wieder.
»Hallo, mein Schwiegersohn«, meldete sich Peter fröhlich. Ich glaube, seine wie üblich etwas gestelzte Begrüßung soll mir klarmachen, dass ich endgültig zur Familie gehöre. Ob das nach dem Gespräch auch noch so sein würde?
Ein bisschen Bammel habe ich schon. Die Bilder von unserer Hochzeitsfeier laufen wieder vor mir ab. Sein praller Stolz, wie er mir den Schlüssel überreicht hat. Genau den Schlüssel, den es nun so nicht mehr gab. Mir war flau im Magen, und ich konnte mir gut vorstellen, wie sich die Erben einer Drogeriemarkt-Kette gefühlt haben müssen, als die Insolvenz des elterlichen Unternehmens nicht mehr aufzuhalten war.
Kurze Situationsbeschreibung in wenigen präzisen Sätzen, ich beschönigte nichts. Sage, ich bin bereit, die Verantwortung zu übernehmen. »Scheiße«, sagt Peter kurz, ansonsten ist er tiefenentspannt. Ich bin schließlich nicht der Erste, dem so etwas passiert, sagt er.
Immerhin habe ich den Wagen noch nicht abgefackelt. Die Sache mit den Gasflaschen hat Peter ja vorher ein gewisses Unbehagen bereitet, wie er mir nun verrät. Auch habe ich ihn nicht geflutet, was allerdings primär Lenas umsichtigem Eingreifen zu verdanken ist. Sie hat im letzten Moment noch den zweiten Verschluss des Frischwassertanks zugedreht, während ich diesen mit Willis Gartenschlauch füllte. Insofern habe ich keine größeren Schäden angerichtet.
»Bleib, wo du bist«, sagt Peter, »ich suche jetzt erst mal den Ersatzschlüssel, und dann schaue ich, dass wir ihn so schnell wie möglich da runter kriegen.«
Eine halbe Stunde lang sitze ich mit den Alten auf den Parkbänken am Corso und rauche. Meine Frau mit einem schleimigen Hilfs-Papagallo unterwegs, das Vertrauen der Familie gründlich missbraucht. Ich überlege kurz, ob ich vielleicht zu Millecose rübergehen soll, einen Lottoschein ausfüllen. So wie mein Liebesleben gerade aussieht, dürfte ich im Glücksspiel große Chancen haben.
»Schlüssel ist hier zu Hause«, sagt Peter, als er
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