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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
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bald nach der pompösen Hochzeitsreise seinen teuren Hobbys wie Jachten, Flugzeugen und Frauen wieder mehr gewidmet habe als der Familie. Shahranis Anhänger, etwa 12 Millionen an der Zahl, sehen in ihm den Nachfahren des Propheten Mohammed und spenden an die Gemeinschaftskasse des Religionsfürsten ein Zehntel ihres Einkommens.
    Der vermeintliche Mohammed war abgebildet und seine blonde, 27 Jahre jüngere Frau auch. Leute, es war ein widerlicher alter Sack, aber die Idee, sich für einen Nachfahren von Mohammed auszugeben, hätte von mir sein können. Mann, der Typ musste nicht den kleinsten Finger rühren und alle gläubigen Idioten spendeten rund um die Uhr für ihn! Ich stellte mir vor, wie 12 Millionen je einen Euro spendeten, an mich natürlich. 50 Cent würden schon reichen. Ihr könnt mir glauben, da läuteten alle Glocken von Jericho, und ich hätte echt überhaupt keine Probleme, mit der Kohle umzugehen. Meine Oma-Hamburg sagt zwar auch immer, so viel Geld macht doch nicht glücklich, und dass sie froh sei, noch nie den Jackpot geknackt zu haben, denn damit fängt alles Unglück an. Trotzdem spielt sie regelmäßig Lotto. Leute, ich würde nur noch auf dem Badeschiff rumchillen, während die Gläubigen fleißig für meinen Lebensunterhalt aufkämen und für meine Luxusbedürfnisse. Ich würde natürlich ein eigenes Badeschiff besitzen und in London und New York eine Villa haben mit ’nem Fuhrpark vor der Tür. Jaguar , Ferrari , Bentley , Porsche , Maserati – 1000 Butler wuselten um mich herum, hielten aber die Klappe und lasen mir jeden Wunsch von den Augen ab. Ich wandelte nur noch durch die Gegend, verkündete aus jeder Pore Weisheiten, die ich mir aus dem Internet oder aus dem Apothekenkalender gefischt hätte.
    Und einmal im Jahr pilgerten alle zu einer Stätte, wo ich mal hingekotzt habe. Natürlich hätte ich auch eine 27 Jahre jüngere Frau – falls ich Lust hätte, so lange auf sie zu warten und mich nicht mit 100 Jungfrauen im Diesseits zu vergnügen, denn meine 27 Jahre jüngere Frau wäre jetzt erst minus elf Jahre alt.
    Vor mir wurde die BZ zusammengefaltet. Die Frau räusperte sich und stieg aus. Der Typ blieb sitzen. Er hatte einen Pferdeschwanz, wahrscheinlich auch so um die 16 , dem üppigen Bartwuchs nach zu urteilen. Haha!
    Er grinste mich an, gar nicht mal abschätzend, eher interessiert. So ein Pferdeschwanz würde gut zu meinem Outfit passen, aber dafür waren meine Haare noch ein bisschen zu kurz.
    »Ich hab ’ne Cousine«, sagte er, »die läuft den ganzen Tag barfuß durch Dresden.« Er deutete mit dem Kinn auf meine Füße. »Haste schon Hornhaut?«
    »Nein«, sagte ich. »Heilige kriegen keine Hornhaut, weil sie wandeln und den Boden nicht berühren.«
    »Cool.«
    »Du hast doch bestimmt schon mal von Jesus gehört. Der konnte sogar über Wasser gehen.«
    »Bist du Jesus, oder was?«
    »So was Ähnliches …« Ich beugte mich vor und flüsterte ihm zu: »Ich bin ein lang ersehnter Erlöser.«
    »Wen erlöst du denn?«
    »Die Menschheit.«
    »Und wovon?«
    »Vom Internet natürlich.«
    Der Typ grinste. »Cool«, sagte er wieder, und: »Mach weiter so, Alter!«, stand auf und stieg Anhalter Bahnhof aus.
    Okay, ich hatte kapiert: Man sollte nicht so direkt sein, eher in Rätseln sprechen, wie in der Literatur, denn je weniger man versteht, desto intellektueller die Botschaft. Dann steigen die Gläubigen nicht so schnell aus.
    Die Leute, die unsere kleine Konversation mitgekriegt hatten, starrten mich finster an. Blicke durchbohrten mich wie Dolche. Mir wurde übel, ich bekam zittrige Knie, mein Herz fing an zu rasen. Was wäre, wenn jetzt so ein hirnloser Neuköllner oder islamischer Fundi in der S -Bahn säße und mir seinen Dolch zwischen die Rippen rammen wollte, just for fun oder mit einem Zettel gespickt, einer Botschaft an die nichtgläubigen Kapitalisten: »Geht nie wieder ins KadeWe oder wir löschen euch alle aus!« Ich wollte keinen Märtyrertod sterben, ich sprang auf und wollte aussteigen, aber die nächste Station war Hauptbahnhof, da steigt man nicht aus, es sei denn, man will ins Regierungsviertel oder in den Hamburger Bahnhof, Beuys’sche Fettecken angucken, aber ich wollte keine Fettecken angucken, ich wollte aufs Badeschiff, aber zum Badeschiff würde es noch eine Ewigkeit dauern. Ich musste mich an der Haltestange festhalten, sonst wäre ich ohnmächtig geworden, und stieg dann doch aus, aber nur, um zwei, drei Waggons vorzugehen und dort wieder

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