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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
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während der Wind durch die Häuserschluchten fegte und das Raucherkarzinom immer näher kroch, da wurde mir klar, dass ich nicht mehr nach Hause zurückgehen konnte. Es gab kein Zurück mehr, Leute. Und noch eins wurde mir klar: Es ging um Sex. Das war nicht nur eine Fantasie, ausnahmsweise redete auch mal keiner drüber, sondern ich persönlich hatte was damit zu tun! Es lag ganz real in der Luft und ich spürte es deutlich an meinem linken Oberschenkel.
    Zuerst berührte mich Sandras nackter Schenkel an meinem nackten Oberschenkel, links, wie gesagt, und niemand rückte deswegen gleich weg. Im Gegenteil. Wir blieben so sitzen und merkten, wie sich langsam Schweiß an unserer Schnittstelle bildete, an uns herabrann und uns festklebte wie siamesische Zwillinge. Nun hatte ich zwar noch nie gehört, dass siamesische Zwillinge Sex zusammen haben, und ich hatte ja mit Sandra II auch gar keinen Sex, aber ich hoffte durchaus, noch welchen mit ihr zu bekommen, wenn ihr wisst, was ich meine. Ich hatte noch zwei Karten für diese bekloppte Talentparty und fragte sie, ob sie mit mir da hingehen würde, dann wären wir schon mal bis tief in die Nacht verplant. Meine Mutter hatte in der letzten Zeit immer wieder versucht, meinen Vater mit Theaterkarten zu ködern, weil sie ihm vorwarf, er verbringe zu wenig Zeit mit ihr. Aber ich frage mich, was man im Theater schon für Zeit miteinander verbringt, umringt von Zuschauern, Schauspielern und Beleuchtern, und hinterher trifft man auch noch irgendwelche Bekannte, die aus dem gleichen Grund ins Theater gegangen sind, aber dann mit meinen Eltern in irgendeiner Bar verschwinden, wo die Männer zusammensitzen und die Frauen zusammenglucken und über Moni und den Sex reden. Sex schien für Leute wie meine Eltern eine rein theoretische Angelegenheit zu sein. Ich weiß, das war nicht immer so, schließlich bin ich kein Retortenbaby, und ich bin nicht auf Anhieb zustande gekommen, das haben sie mir oft genug erzählt, wie schwierig es war, mich zu zeugen, aber jetzt war Sex Anlass intensiver und offener Diskussionen geworden, die sogar beim Abendessen stattfanden; wenn mein Vater mit seinen Knie- und Knicksthemen durch war, fing meine Mutter von Sex an. Bei ihr im Wartezimmer habe ich mal gelesen, dass Leute, die viel über Sex reden, nicht vögeln. Deswegen hielt ich lieber meine Klappe.
    Der Wind fauchte durch die Häuserschluchten; Reklamescreens drehten sich auf den Hochhäusern, rechts neben Saturn stand ein blauer Bulli mit einem riesigen Schild: »Jesus lebt!«
    Im Vordergrund tanzten Leute, schwenkten Fahnen an Ex-Pionier-Stangen, hüpften barfuß herum; es war auch eine grauhaarige Oma dabei, mit hoher Stimme. Leute, ihr glaubt es nicht, aber das war die gute alte Frau Larmanta, unsere Nachbarin! Sie wirbelte da herum, mit nackten Beinen bis über die Knie, sang und schaute in den Himmel – das haute mich fast gar nicht um. Unsere gute Frau Larmanta, die immer ihre Klingelbüchse ausführte wie andere Leute den Hund, tanzte auf dem Alex.
    Vor dem Bulli saß ein Typ, spielte Gitarre und sang dazu. Seine fettigen langen Haare fielen ihm bei jedem Akkord ins Gesicht.
    Als wenn Jesus auf so eine Musik abgefahren wäre! Leute, der Mann ist über Wasser gegangen und hat Blinde sehend gemacht. Wie kann man ihm so ein Geklimper widmen? Mozarts Requiem würde ich Jesus vorspielen, wenn ich ihn mal träfe, oder noch besser das neue Album von Camille. Ihre Stimme hätte ihn so richtig scharf gemacht. Er wäre barfuß zu einem Konzert gepilgert; sie hätte ihm eine Bühnenshow vom Feinsten geboten und ihn nachher zu sich eingeladen, backstage.
    Ich war begeistert von meinen genialen Ideen! Überlegt doch mal, Leute, der ganze Scheiß mit den Religionen hätte sich positiver entwickelt, wenn Jesus mit Camille eine Nummer geschoben hätte, erst backstage, dann auf dem Wasser, sie hätten beide abgehoben und wären zum Himmel aufgeflogen vor lauter Glück und hätten der Menschheit die Liebe mitgebracht von ihrem Ritt durch die Galaxie.
    »Woran denkst du?«, fragte Sandra II , so gegen halb fünf.
    »Nichts Besonderes.« Ich konnte es noch nie leiden, wenn Schnecken alle naselang fragten, woran man gerade dachte. Sie lutschte an ihrem Lippenpiercing herum und schaute wieder durch die Gegend.
    »Guck mal, die Idioten da!« Sie zeigte auf den blauen Bulli und bot mir eine Zigarette an. Ich nickte. So ließ es sich ganz gut leben. Ich blies den Rauch in langen Zügen aus, blinzelte durch den

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