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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
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einzusteigen. Dann ging es mir besser. Eine Schulklasse quetschte sich noch nach mir in den Waggon, irgendwelche Touristen aus Osnabrück. Sechste oder siebte Klasse. Die Mädchen sahen aus wie Avril Lavigne und Shakira, oder wollten so aussehen, dabei hatten sie X-Beine und Wabbelbäuche und ich wünschte ihnen fette Wintermäntel an den Hals.
    Es war ein einziges Fratzen- und Tuscheltheater. Natürlich machten sie sich lustig über mich. Aber irgendwie fanden sie mich auch cool. Das sah man ihnen an. Ein Mädchen mit völlig verklebten Tuschwimpern setzte sich neben mich.
    »Hier«, sagte sie. »Kannste haben. Eintrittskarten für eine Talentparty in Berlin Friedrichshain, für morgen. Leider sind wir nicht mehr da.«
    Ich schaute auf die Karten. Jede war fünf Euro wert plus ein Freigetränk. Ich hatte sieben Karten!
    »Geiles T -Shirt«, sagte das Mädchen noch. »Wo gibt’s denn so was?«
    »Im KadeWe !«, rief ich ihr hinterher.
    Die Schulklasse stieg aus, das Mädchen drehte sich zu mir um und zwinkerte mir zu. Die S -Bahn fuhr weiter und das Mädchen verschwand im Gedränge zur Rolltreppe.
    Die Karten schienen nicht gezinkt zu sein. Wo hatte sie die nur her? Da kommt so ein Frosch für drei Tage nach Berlin und staubt einen ganzen Packen Eintrittskarten ab für das Zitrus , und ich wohne hier schon mein Leben lang und hab noch nie eine geschenkt gekriegt. Über den Club wurde immer nur getuschelt, wie geil es da sein soll und dass da die Stars von morgen geboren werden, und man war schon ein Hecht, nur wenn man reinkam.
    Keine zehn Minuten später stand ich am Alex, vor dem Neptunbrunnen, und versuchte, die Karten in Geld zu verwandeln. Ich wollte sie für 4,50 verkaufen, musste aber auf vier Euro runtergehen, wurde vier Karten auf einmal los und konnte auf 20 Euro nicht rausgeben. Großzügig, wie ich war, schenkte ich der Frau noch eine und bekam 50 Cent Trinkgeld.
    Als Erstes kaufte ich mir einen Döner. Er war warm und saftig und mir klebte das Gemüse nur so an der Backe. Ich kaufte mir gleich noch einen und wollte mir gerade eine Riesenpulle Cola gönnen, da dachte ich, vielleicht schadet Cola meinem Glück, Heilige trinken auch keine Cola, und fuhr mit voller Wampe und noch Rotkohlresten zwischen den Zähnen mit der Rolltreppe durch das beknackte Kaufhaus und landete auf der Kundentoilette. Leider war da nichts mit Wassertrinken. Die Hähne funktionierten nur, wenn man die Hand darunterhielt, aber nicht den Kopf. Sobald man auch nur seine Lippen mit der Hand benetzt hatte, zog sich der Wasserstrahl sofort zurück. Und für den Reinfall sollte ich 50 Cent abdrücken?
    Ich bin dann wieder runter ins Erdgeschoss und habe mir doch so eine Scheißcola gekauft, mit all den 50 Zuckerstückchen, die einem über Nacht die Zähne zerfressen; und auf dem Rückweg kanariengelbe Flip-Flops für 1 , 99 und eine Sonnenbrille mit blauen Gläsern für 2 , 98 .
    Ich sag euch, da ging die Post ab, als ich wieder auf dem Alex stand! Glück durchflutete mich wie Röntgenstrahlen, und alles war so schön blau, der Himmel, der Alex und ich – blau vor lauter Glück. Ich kletterte auf die Tribüne und haute mich erst mal ein Weilchen hin, um in Ruhe zu verdauen.
    Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn plötzlich saß ein Mädchen neben mir. Lippe gepierct, Nase gepierct und die linke Augenbraue auch; saß da, mit ’ner Fluppe in der Hand, kaute auf dem Lippenpiercing herum und wippte mit den Füßen. Sie bot mir eine Zigarette an. Ich nahm sie und rauchte. Rauchte, als hätte ich schon immer geraucht und nicht erst seit ein paar Stunden. Wir rauchten und schauten den weißen Kondensstreifen am Himmel hinterher, die durch meine Brille blau wurden. Es sah aus, als würde Gott auch rauchen. The more you know . Und endlich mal ein Mädchen, das nicht immerzu quasselte! Wir beobachteten die Leute, die vorübergingen, die Punks, die mit ihren Hunden bettelten, und rauchten noch eine Zigarette. Das war der reinste Stummfilm, den wir da abzogen, und mit der Zeit hätte ich doch gern das eine oder das andere gewusst, beispielsweise was sie hier am Alex tut. Normalerweise chillt man ja nicht einfach mitten auf dem Alex rum, wenn man sich nicht gerade mit jemandem zum Komasaufen verabredet hat. Aber sie schien auf niemanden zu warten. Sie saß da, völlig relaxed, abgehoben, mit den Füßen baumelnd – eine Heilige, genau wie ich. Vielleicht war sie ja die Inkarnation meiner noch nicht auf dieser Welt existierenden, 27 Jahre

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