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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
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bildlich vor: Treffen sich P . Immel und F . Otze. Sagt P . Immel: Hast du schon den neuen H . Hesse gelesen? Sagt F . Otze: Es gibt doch gar keinen neuen!
    Echt witzig! Mir wurde fast schlecht von meinem eigenen Humor. Wahnsinn, Leute, mit zwölf hatte ich Kafka gelesen und mich mit 15 durch den guten Proust geackert, aber knutschwillige Schnecken hatte ich trotzdem nicht gefunden.
    Ich musste mich ein bisschen von meinem Elend ablenken, damit ich mich nicht bei der nächsten Gelegenheit in die Spree stürzte. Gehen war gut. Ich ging auf dem Ex-Todesstreifen, immer geradeaus. Wir hatten in der Neunten den Todesstreifen in Geschichte durchgenommen, die Grenze zwischen Ost und West, als es die Mauer noch gab, mit bissigen Hunden und Minen und Soldaten. Betty the Frog taten die Hunde leid, besonders die, die ihr ganzes Leben nur zwischen zwei Zäunen hin- und herrennen konnten, in der Hoffnung, in einen flüchtenden Knickser zu beißen. Wie ihr vielleicht wisst, gibt es ja den Todesstreifen nicht mehr, aber ich war mir trotzdem sicher, auf dem Todesstreifen zu gehen, denn es fühlte sich so schön tot an unter meinen grünen Flip-Flops, und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr konnte ich sogar die Mauer spüren. Ja, sie wuchs und wuchs und ich machte die Augen zu und balancierte zwischen Ost und West dahin und wünschte mir die Erhöhung der Berliner Mauer um zwei Meter – dann kam ich an eine Baustelle. Der Bretterzaun war undicht, ganze Latten waren herausgebrochen, aufgeweichte Werbetafeln lagen auf dem Boden. Pure Reinheit und herrliche Frische – so rein und frisch wie ein Tag am Meer .
    Ob hier heute Nacht die Events stattfanden, von der die Zitrusschnecke erzählt hatte?
    Ich quetschte mich durch den Lattenspalt und war in einer Bauwüste gelandet. Paletten lagen herum, Plastikplanen wisperten im Wind, am Horizont zwei Kräne, einer noch größer als der andere. Jede Menge Steine; es roch nach Zement. Ansonsten war es sehr sandig, fast beachy . Unkraut und Gestrüpp kroch über die Sandhügel. Ich ging weiter, der Verkehr verstummte, es war ein riesiges Areal mit Bauruinen.
    Dann fiel ich in ein Loch. Es war kein großes Loch, nur eine ausgebuddelte Pfütze, sandig, weich und warm mit einer platt getretenen Zigarettenpackung darin. Route 66 , Palenie zabija .
    Ich schaute mich um, aber es war niemand zu sehen, ich zog meine Flip-Flops aus und wärmte mir die Füße im Sand. Und wie das so ist, wenn man sich die Füße wärmt, kommen einem Ahnungen. Ganze Gedichte sind über solche Ahnungen schon geschrieben worden. Der gute alte Mörike könnte ein Lied davon singen, mit Glockenton und allem Drum und Dran. So was kriegt man nur mit sandwarmen Füßen hin. Ich hatte eine Ahnung, dass jemand kommen würde.
    Die Gestalt sah im Zwielicht des Abends aus wie ein weiblicher Minotaurus. Ihr Anblick rammte mich wie einen Pflock in den Sand. Ich stand da und konnte mich nicht mehr rühren. Horchte. Von fern ein leises Hufgetrappel.
    Der Schweif des Pferdes wehte seitlich an dem Tier vorbei. Mähne und die Haare des Mädchens auf dem Pferd wehten ebenfalls Richtung Ost.
    Dann haben wir also Westwind, ging es mir durch den Kopf, ansonsten denkt man als eingerammter Pfahl nicht viel. Man beobachtet nur, man lauscht und spürt Vibrationen. Die Hufe kamen immer näher. Das Mädchen auf dem Pferd war barfuß. Sie ritt ohne Sattel, ohne Zaumzeug, sie hielt nur einen Strick in der rechten Hand. Ihr T -Shirt war groß und schlabberig und ihr linker Arm hing locker an ihr herab; ab und zu berührte ihre Hand die Flanke des Pferdes.
    Es war ein graues Pferd, voller Nebel. Hauke Hein hätte damit über den Deich düsen können und niemand hätte ihn je gesehen. Aber heute war es nicht neblig. Die Sonnenstrahlen verschleierten gerade den Fernsehturm, als das Mädchen immer näher kam. Sie ritt genau auf mich zu. Ich, Pfahl in deinem Fleische, rührte mich nicht. Das Pferd kam vor mir zum Stehen, reckte den Kopf und prustete mir warmen Grasatem ins Gesicht. Ich hatte noch nie Angst vor Pferden.
    Das Mädchen schaute von oben auf mich herab. Ihre braunen Haare wehten ihr von hinten ins Gesicht, obwohl sich der Wind nicht gedreht hatte. Dann sah ich ihre zimtbraunen Augen, den Mund, die hohen Wangenknochen, die großen Ohren und jemand stellte den Strom an. Yellow Strom natürlich. Wir geben alles!
    Sie sagte nichts.
    »Ist das dein Pferd?«, fragte ich. Einer musste ja schließlich den Anfang machen. Meine Stimme tröpfelte mir

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