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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
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ehrlich, nicht mal auf dem Bürgersteig. Ich konnte plötzlich meine Eltern verstehen, wenn sie zu viel von meiner Musik abgekriegt haben, obwohl das wirklich eine ganz andere Qualität war. Anyhow , die Leute waren jedenfalls scheißfreundlich, und dieses Hin- und Hergeschubse war nur ihre Art, mir zu zeigen, dass ich dazugehören konnte, wenn ich wollte.
    Sie ernährten mich sogar. Schwups, hatte ich schon wieder eine neue Pulle in der Hand. Diesmal eine schlanke weiße mit durchsichtiger Flüssigkeit. Ich ließ es mir durch die Kehle gluckern. Es schmeckte nach nichts, nur wenn ich schluckte, brannte es meine Speiseröhre weg und haute mir Löcher in die Magenwände. Ich fand das cool und trank weiter, ich wollte der erste Mann mit verbrannter Speiseröhre sein. Der erste Molekül-Mann! Blonde Talkmaster würden mich in ihre Sendungen einladen und ich dürfte neben allen deutschen Größen auf dem Sofa sitzen. Meine Mutter würde vor Neid erblassen, denn den einen oder anderen Rennfahrer hätte sie auch liebend gern auf ihrer Couch gehabt, ich aber säße dort und winkte ins Publikum und grüßte Oma-Hamburg und Oma-Hannover und Herrn Ratzinger im Papamobil. Und am nächsten Tag eine Dokumentation über mich, Sondensatelliten brächten mein Innerstes in die deutschen Wohnzimmer.
    Plötzlich wurde mir schlecht. Dieser ganze Trubel machte mir zu schaffen, dieser brüllende Applaus. Jetzt trampelten sie sogar mit den Füßen. Einige schrien: »Zugabe!«
    Ich wollte keine weggeätzte Speiseröhre mehr haben, aber es war zu spät, ich konnte nichts mehr tun. Ich wollte, dass in mir noch mal die Sonne unterging wie gestern mit Sandra III ! Ging sie aber nicht. Nichts ging mehr.

Pieters Cabriolet
    Beflügelt von Sehnsucht nach Sandra – und auch nach Nüchternheit –, schlich ich mich fort von dem Punkschuppen und fing an zu wachsen, ich wuchs über die Waldorfschule hinaus, überragte das Jüdische Museum, grüßte den kleinen Scheinriesen, wurde selbst zum Riesen und taumelte durch die Straßen. Ab und zu musste ein Taxi scharf bremsen, weil es Angst hatte, gegen einen Riesen zu fahren.
    Ich hörte Pferde beim Schlachter wiehern, Flugzeuge starten, die drei Sandras singen, und dann war ich an der Friedrichstraße. Vor dem Kaufhaus Lafayette fand ich eine halbe Schachtel Pommes, rot-weiß auf einem Stromkasten. Sie waren kalt und lecker, machten mich aber nur hungriger. Oder hat schon mal jemand gehört, dass ein Riese von einer halben Schachtel Pommes satt wird? Ich fischte mir noch ein Mousse au Chocolat aus einem Mülleimer – es sah jedenfalls so aus und war noch im Becher, ich musste nur ein paar Kippen rausfischen. Dann stapften meine Riesenfüße wie von selbst über parkende Autos hinweg. Ich stieg von hinten auf die Stoßstange, sprang aufs Dach und federte dort oben, bis die Beulen in der Karosserie keine Federung mehr möglich machten. Ich rutschte auf dem Hosenboden zur Stoßstange, piekste dem Seitenspiegel noch ein Auge aus und war schon auf dem nächsten Wagen.
    Leute, ich steppte über die schlafende Autoschlange und schaute mir vom Dach aus die Schaufenster an – H&M , Leysieffer , Gucci , Louis Vuitton und wie sie alle hießen, dann trat ich auf was Weiches. Oh, dachte ich, ein Trampolin! Aber aus meinen Kindheitstagen kannte ich elastischere Teile. Dieses Trampolin war zäh wie Leder. Logo, weil es aus Leder war und auch kein Trampolin. Gerade als ich das herausgefunden hatte, brach ich ein.
    Als ich wieder Boden unter den Füßen hatte, stand ich in einem Cabriolet. Das Erste, was mir sofort auffiel, waren die Flyer auf dem Beifahrersitz. »Sei unser Superstar!« Eine Hochglanzschnecke mit Brilli auf den Zähnen grinste mich an. »Wir entdecken dein Talent!«, las ich, und plötzlich war ich mir sicher: Ich war in Pieters Cabriolet gelandet! Leute, ich dachte, ich fass es nicht!
    Ich befreite mich von dem Verdeck und brach dabei den Blinker ab. Das tat verdammt weh! Um den Schmerz auszuhalten, sprang ich auf den Zebrapolstern herum. Aber die federten auch nicht besser als das Verdeck.
    Später wurde ich immer wieder gefragt, ob ich denn die Alarmanlage nicht gehört hätte? Echt, so einen Mist wollten sie wissen. Klar hatte ich was gehört, es klingelte zur Pause, aber wer noch nicht abgeben wollte, durfte ruhig noch weiterschreiben.
    Ich weiß auch noch genau, wie ich aus dem Wagen geklettert bin und mit einem meiner Kieselsteine »Blöde Sau« in den Lack gekratzt habe. Dazu habe ich mich

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