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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
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atmen und atmete mit ihr mit, meine Luft ging durch ihre Lunge und dann in mein Herz. Ihre Haare wehten mir manchmal ins Gesicht. Sie roch nach Schweiß und nach Pferd und hinter den Ohren nach Waldmeister. Aber ich war des Schnupperns müde geworden, oder vielmehr satt. Selbst mein gutes altes Geschlechtsteil ruhte vor sich hin. Es war eine rote Stille in mir, als hätten wir es schon getan – die Vereinigung vollbracht.
    Jetzt, als erfahrener Mann, weiß ich ja, wie es hinterher ist. Wie schlapp, zufrieden und wunschlos man ist. Satt eben.
    Aber ich war nicht schlappsatt. Ich war zufrieden-satt, und mit dieser Vorahnung kam so langsam ein Appetit auf, eine ruhige Lust, aber kein hartes Verlangen, keine Gier. So eine Ruhe hatte ich noch nie in mir.
    Wir ritten mitten durch die schlafenden, aber nicht stillgelegten Baustellen am Ufer der Spree, und dann spendierte Sandra mir Ecke Stralauer Straße einen Döner, vielmehr, wir teilten uns einen. Das Pferd bekam ein paar Oliven. Die Steine spuckte es aber nicht aus. Es mochte auch Zwiebeln gern und verzog seine Oberlippe, sodass man die großen, braunen Zähne sehen konnte. Zu der Zeit wusste ich immer noch nicht, ob es ihr Pferd war und wo der verdammte Gaul überhaupt herkam und wieso sie durch Berlin ritt und warum sie nicht nach meiner Freundin fragte, die Sängerin war. Ich beschloss, meine Klappe zu halten. Mit der Zeit würde ich schon alles herausfinden.
    Langsam wurde es dunkel und der gute alte Mond kam heraus. Dick und gelb stand er über uns, oder eigentlich sie – la luna . Wir waren wieder zu unserem Kieshaufen zurückgekehrt. Neben einer zerbeulten Zementmischmaschine stiegen wir ab. Sandra band das Pferd fest und wir kletterten auf allen vieren auf den Kieshaufen. Er war höher als die Bauhütte, hatte die Wärme des Tages gespeichert. Die einzelnen Steine bewegten sich unter uns, mit uns, es fühlte sich an, als wäre der Kieshaufen lebendig. Wir rutschten tiefer in die Steine, rückten uns Kuhlen zurecht, legten uns auf den Rücken; Sandras runde Schulter berührte meine, ich kam mir vor, als läge ich auf dem oberen Teil einer Sanduhr.
    »Da, guck mal, der Mond«, sagte ich, und sie lachte ihr helles Rachenlachen, mit all den Zähnen, die den Klang ihres Lachens noch verstärkten, und ich schaute und lachte mit, denn wenn ich auch den Mond mit einem Kran-Logo verwechselt hatte, blieb er doch unser Mond, gelb und leuchtend.
    Sandras Hände verschwanden in den Falten ihres Rockes, in einer verborgenen Tasche. Sie holte etwas heraus, umschloss es mit ihren Händen und stemmte ihren Ellenbogen in den Kies.
    »Mach die Augen zu und den Mund auf.«
    Sie legte mir ein paar Schokodinger auf die Zunge. Sie waren warm und schmeckten schon ein bisschen älter. Ich knabberte den Zuckerguss auf und ließ die Schokolade schmelzen. Sie schmeckte nach Vollmilch, Waldmeister und Pferd. Ich schluckte die Schokolade runter, leckte meinen Mund aus, bis ich nur noch Spucke im Mund hatte, süße Spucke, die mehr Schokodinger haben wollte. Sandra sah mir zu, bis ich alles zerknabbert und heruntergeschluckt hatte, und gab mir noch ein paar. Sie steckte sich selbst auch welche in den Mund. Wir lutschten gegenseitig Schokodinger. Die beiden Monde schienen. Der echte weiß und der falsche gelb. Wir hörten das Pferd atmen.
    »Es hat Asthma«, flüsterte Sandra. »Es ist schon 30 Jahre alt.«
    »Das ist doch kein Alter für ein Pferd«, flüsterte ich. »Mein Opa hatte Gäule, die wurden 100 Jahre alt!«
    Sandra legte einen Finger auf meinen Mund und fuhr einmal um ihn herum. Es dauerte mindestens so lange, als würde man um den Schlachtensee gehen.
    »Mach die Augen zu«, sagte sie. »Ich verlaufe mich schon nicht.«
    Sie ging auf meinem Gesicht spazieren, Nase, Augen, Brauen, Ohren, den Nacken entlang, hüpfte auf mein Schlüsselbein und kletterte das Kinn hoch. Dann nahm ich die Spaziergänger in den Mund und sie erkundeten meine Mundhöhle, meine Zähne, fuhren über meine Zunge. Ihre Finger schmeckten noch besser als die Waldmeister-Schokolade, die über Magen und Zwölffingerdarm ihr Serotonin in mein Blut geschüttet hatte und mich schon ziemlich glücklich machte.
    Dann legte Sandra ihre Lippen an meine Wange und ich spürte ihren warmen Atem.
    Ich bewegte mich nicht, ich lag ganz still, nur noch Wange und Lippe und weiter unten mein Kran, 50 Meter über der Baustelle. Ich wuchs und wuchs in den Himmel hinein, Wange an Lippe mit Sandra.
    Und dann küsste sie mich und

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