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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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Hände.
»Wir kennen uns noch nicht«, begann die Blonde.
»Du musst Barbara sein«, entschied Frank und war überrascht, dass die Frau – der Situation völlig unangemessen – lauthals herauslachte.
»Mein Name ist Marianne, und ich merke schon, Karen hat von mir erzählt, mit dem ihr eigenen Humor.«
»Ich verstehe nicht.«
»Nur sie nennt mich 'Barbara'«, sie berichtigte sich, »hat mich 'Barbara' genannt, wegen der Sprachübungen, die ich mit Tristan gemacht hatte: 'Barbara saß nah am Abhang' und so weiter.«
»Ja, sie hat mir davon berichtet.«
»Sie hat mich scherzhaft immer 'Tristans Barbara' genannt, das wurde dann irgendwann zum Selbstläufer.«
Frank betrachtete die Lichtung um sie herum.
»Wo sind wir hier?«
»Auf Bornholm«, antwortete Robert, »mitten in der Ostsee.«
»Die Küste bekommt man dennoch selten zu sehen«, ergänzte Marianne.
»Sind wir hier sicher?«
»Der Bauernhof«, sagte Marianne, »steht schon seit mehr als dreihundert Jahren auf dieser Lichtung und ist seit jeher im Familienbesitz der Petersens. Die Zeit, die wir zu verändern versuchen: Hier scheint sie stehen geblieben zu sein. Die Lichtung ist wie eine Seerose, der es gelungen ist, inmitten eines ringsherum anwachsenden, alles verschlingenden Moores zu überleben. Der letzte Besuch eines Beamten von der Bornholmer Gauverwaltung liegt mehr als fünfzehn Jahre zurück. Wie Jan erzählt hat, hat ihn seine Mutter solange mit Kartoffeln beworfen, bis er besiegt vom Hof gezogen ist. Da wäre ich gerne dabei gewesen. Seither hat wohl keiner mehr versucht, hier draußen nach dem Rechten zu sehen.«
»Es existiert nur eine Zufahrt zur Lichtung. Ringsherum ist dichter Wald«, erzählte Robert, »ein paar hundert Meter weiter, am anderen Ende der Straße liegt ein weiterer Bauernhof. Kommt man mit Fahrzeugen, muss man ihn passieren. Dort sind unsere Leute. Sie versorgen uns mit Nahrung und Wasser. Von dort führen auch Strom- und Datenleitungen hier her. Du fragst, ob wir hier sicher sind? Vor dem Nationalsozialismus und seinen Schergen gibt es keine Sicherheit, zumindest keine hundertprozentige. Wenigstens das ist uns vor drei Jahren klar geworden.«
Jan unterbrach sie: »Ich denke, es ist tief genug.«
Die Sonne, inzwischen hoch im Zenit stehend, hatte den Schatten über dem frisch ausgehobenen Grab kleiner werden und schließlich verschwinden lassen.
Tristan, Jan und Paul gingen zum Haus zurück. Tristans Blick zeigte Frank, dass er ihnen folgen sollte.
In der Waschküche wuschen sich die vier Männer ihre Hände und ihre verschwitzten Gesichter.
Frank bekam eine Gänsehaut, das Unausweichliche stand unmittelbar bevor.
Tristan schritt voran in die Wohnstube des Bauernhauses. Auf einem verschlissenen mit braunem Kord überzogenen Sofa lag sie da: Karen. Eingehüllt und umwickelt mit weißen Leintüchern. Von ihrem Körper selbst war nichts mehr zu sehen, geschweige denn von ihrem Gesicht. Dafür war Frank dankbar. Neben dem Sofa lag eine Trage auf dem Boden, auf welche Tristan und Jan die Leiche nun hievten.
Danach griff jeder der Vier zu einem der Griffe. Gemeinsam trugen sie Karen bedächtig ins Freie.
Keiner sprach ein Wort. Auch nicht, als sie beim Grab eintrafen, die Trage neben das Grab legten und Karens leblosen Körper anhoben und in ihre letzte Ruhestätte hievten.
Stumm standen die sechs Menschen ums Grab herum und blickten auf die mit Leintüchern umwickelte Tote.
Frank blickte auf.
Aus dem Bauernhaus starrte die Alte durch ihr Fenster zu der kleinen Gruppe herüber.
Und Frank musste an Karens Mutter denken und an ihren Vater.
Sie wussten nicht, dass ihre Tochter gestern gestorben war.
Ob es sie überhaupt interessierte?
Es gab nur zwei Alternativen: Entweder sie waren unter ständiger Überwachung der Partei und permanenten Repressalien ausgesetzt oder sie hatten mit ihrer Tochter längst gebrochen.
Vielleicht war auch beides richtig.
Die Sippenhaftung, vielleicht hatte das Regime Karens Eltern längst beseitigt.
Erschrocken fielen ihm seine Eltern ein.
Was war mit ihnen?
Lebten sie noch?
Der Vater des anderen Frank war vor Gram gestorben, dessen Mutter war aufgeblüht, als sie ihren Sohn wiedergefunden hatte.
Was war mit seinen eigenen Eltern in den vergangenen drei Jahren geschehen?
Er musste es in Erfahrung bringen, unbedingt.
Seine Gedanken wanderten zurück zu Karen, zu ihrer gemeinsamen Jugendzeit. An ihr perfekt inszeniertes unschuldiges Gesicht, das sie selbst dann noch zur Schau stellte, wenn sie bei ihren

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