Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
Vom Netzwerk:
Hosenrockes waren fast völlig dem alles erobernden Rot zum Opfer gefallen. Es tropfte auf den grauen Betonboden und es bildeten sich bereits erste kleine Lachen.
Das Lid von Karens linkem Auge flatterte. Sie war am Leben.
Frank blickte umher. Er befand sich in einem gemauerten Raum. Zwei kleine Fenster ließen nur spärlich Licht herein. Zusätzlich brannte eine Glühbirne, die ohne Lampenschirm von der Zimmerdecke baumelte. Von den beiden Sarkophagen schlängelte sich ein Wirrwarr an Kabeln hinüber zu zwei Rechnern. Hinter einem der beiden angeschlossenen Monitore saß ein Mann, der ebenfalls mit leicht geöffnetem Mund zu Karen starrte: Tristan.
»Schnell«, sagte Frank und stemmte sich nach oben.
Ihm wurde schwarz vor Augen. Er schwankte. Bevor jedoch die blonde Frau zu ihm eilen konnte, um ihn zu stützen, hatte sich sein Kreislauf wieder stabilisiert. Vor Karens Metallplatte ging er auf die Knie.
»Frank«, flüsterte Karen und versuchte, den Kopf zu drehen, um den Jugendfreund zu erblicken. Die Anstrengung bereitete ihr Schmerzen. Sie stöhnte und ließ den Kopf schließlich in der Stellung, in der er sich befand.
»Bleib einfach so liegen, Karen«, beruhigte Frank sie. Er beugte sich nach vorn, damit sie ihn sehen konnte. »Ich bin hier, hier bei dir.«
Die Finger ihrer linken Hand bewegten sich ganz vorsichtig. Frank griff nach ihnen, hielt sie fest.
Seine bescheidenen medizinischen Kenntnisse aus Armeetagen stießen an ihre Grenzen.
»Ein Arzt, wir brauchen einen Arzt«, sagte er zu Tristan und der Blonden, die nur hilflos da standen und das Geschehen wie aus der Ferne beobachteten.
Doch nun kam Bewegung in die beiden. Tristan verließ das Zimmer, die blonde Frau folgte ihm.
»Frank!«
»Ja?«
»Es ist zu spät!«
»Nein, der Arzt wird gleich hier sein. Es wird dir bald besser gehen.«
Sie hustete. Ihr Körper schüttelte sich. Sie stöhnte auf, spuckte Blut.
Mühsam suchte sie Worte.
»Von uns beiden«, sagte sie mit kaum noch hörbarer Stimme, »erweist du dich nun doch als der größere Träumer.« »Was meinst du?« »Selbst jetzt noch weigerst du dich, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Bewahre sie, deine Träume; vielleicht ist es der bessere Weg.« »Träume können wahr werden, du weißt es, Karen. Die Vision einer anderen Gegenwart, sie wird zur Realität werden.«
Aus den Augenwinkeln heraus erkannte Frank ein Beinpaar und einen Gehstock neben sich. Er blickte daran hinauf und erkannte einen Professor Gothaer, der mindestens zehn Jahre älter wirkte, als der, den er im Gedächtnis wieder gefunden hatte.
»Nicht wahr, Herr Gothaer?«, versuchte er, sich Bestätigung einzuholen. Robert nickte. Im Gegensatz zu Frank erkannte Robert den Ernst der Lage. Seine Augen wurden feucht. »Siehst du!«, triumphierte Frank, ohne zu begreifen, dass Karen längst durch ihn hindurch zu schauen schien. Vorsichtig zog Frank Karens Hand an sich heran, drückte sie gegen seine Brust. »Ich werde hinüber reisen, in die andere Ebene, wie vor drei Jahren geplant, und dann nach 1944 zurück.« Karen schwieg. »Du wirst wieder leben, Karen, denn du lebst auch dort; nicht wahr, Herr Gothaer?« Dieses Mal vergewisserte er sich nicht, ob Robert zustimmte. Er starrte weiter auf Karens verkrampftes Gesicht. »Wir werden wieder Kinder sein, du und ich. Wir werden Verstecken spielen und Streiche aushecken.« Er wollte lächeln, doch er konnte es nicht. »Das heißt, du wirst Streiche aushecken. Und ich sie mit dir ausführen und ausbaden.
Mitgegangen – mitgefangen.« Karens Lippen wiederholten lautlos die beiden letzten Worte. »Erinnerst du dich an die Geschichte mit der Erdbeerbowle?« Karens heiles Auge blinzelte. »Du wirst leben, Karen.« Ihr Gesicht war Zustimmung und Widerspruch zugleich. Sie wollte etwas sagen. Frank beugte sich über sie, drehte seinen Kopf so, dass er sie besser verstehen konnte. »Deine Träume, Frank!« Es war mehr ein Hauchen als ein Artikulieren. »Ja?« »Geh deinen Weg!« Er sah sie an. Ihr Auge starrte weiterhin durch ihn hindurch, doch es hatte keinen Glanz mehr. Das Geräusch ihres flachen Atems war einer schrecklichen Stille gewichen. Das Blut hörte auf, pulsierend aus ihrem Körper zu brechen, gleich einer Quelle, die langsam aber mit endgültiger Gewissheit versiegte.
Behutsam strich Frank Karens Lid über ihren Augapfel.
Er schrie sein Leid nicht hinaus.
Er weinte nicht, er wehklagte nicht.
Er saß einfach nur da, hielt Karens Hand, die kälter und kälter wurde.

2
     
    Als Frank am

Weitere Kostenlose Bücher