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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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halbe Stunde vor sechs Uhr hatte schließlich der Wecker geklingelt. Sie hatten sich alle in dem Raum versammelt, in dem auch die Metallquader standen: Frank, Tristan, Marianne, Jan, Paul und Robert.
Routiniert hatten Tristan und Robert die Kontakte zwischen den Sarkophagen und den Rechnern hergestellt, ihre Speicherstäbe in die Schnittstellen gesteckt und die entsprechenden Programme initialisiert. In wenigen Minuten waren die Vorbereitungen abgeschlossen gewesen. Frank hatte die beiden Zahlen entdeckt, die, wie er wusste, die Anzahl der angemessenen alternativen Ebenen widerspiegelten. Die eine Zahl, die zwölfstellige, die für die Abweichungen nach Beginn des Experiments am 14. März 1999 stand, wuchs stetig weiter an, die andere verharrte bei 1.814. 1.814 Ebenen waren inzwischen angemessen worden, die sich vor dem 14. März 1999 von der eigenen Realität abgespalten hatten. In einer davon befand sich seine Claire, die er kennen und lieben gelernt hatte, in eine andere sollte seine und Tristans morgendliche Reise führen.
Robert und Marianne hatten hinter den Rechnern Platz genommen, während Frank und Tristan sich die nach wie vor notwendigen Signalgeber umgehängt und sich auf die beiden gepolsterten Flächen gelegt hatten, um mit dem bekannten surrenden Geräusch in den Sarkophagen zu verschwinden.
Das von der Quarz-Nickel-Legierung erzeugte grüne Leuchten hatte sie in Empfang genommen.
Mit deutlich hörbarem Klacken hatten die Verschlussklappen die eigene Außenwelt abgeschnitten.
»Bereit?«
»Bereit!«
»Bereit!«
Und hier standen sie nun: Im Dämmerlicht eines frühen Morgens, in einem Park in einer ihnen fremden Welt; schwarze Hosen, schwarze Schuhe, weiße Hemden, neutral gekleidet.
Für die zwei Männer, die einem System entstammten, zu dessen obersten Prinzipien die Ordnung, die Sauberkeit und die Disziplin gehörten, war der erste Eindruck ein erschreckender. Müll und Abfall waren allgegenwärtig. Trotz der schlechten Lichtverhältnisse war der Unrat nicht zu übersehen. Blechdosen lagen am Boden und Tierknochen außerdem Kunststoffverpackungen, Essensreste und Glasflaschen, alles in unmittelbarer Nähe. In einem Busch vor ihnen hing eine Plastikfolie, die sich sanft im Wind hin- und herwiegte und an der noch Tierblut haftete. Unterhalb der Tüte, auf der Erde, war eine vertrocknete Lache zu erkennen.
Tristan stieß Frank mit dem Ellbogen an.
»Dort!«
Er zeigte auf ein Gebäude, etwa zweihundert Meter vor ihnen.
Franks Augen gewöhnten sich langsam an die schlechten Sichtverhältnisse und er entdeckte den Görlitzer Bahnhof. Doch es führten keine Gleise zu ihm. Kein geschäftiges Treiben, wie es ansonsten bereits in den Morgenstunden an einem Bahnhof üblich war. Keine Geräusche, die auf nahe Züge oder Stellanlagen schließen ließen.
»In der anderen Ebene ist er immer noch in Betrieb«, sagte Frank.
Und dann, nach einer kurzen Pause, ergänzte er: »Ja, hier war es. Hier war ich für einen kurzen Augenblick gewesen.«
»Riechst du das auch?«
»Bier? Schnaps?«
»Irgendwie ist da auch Urin dabei!«
»Kein Wunder, wie die hier anscheinend gestern gefeiert haben.«
Sie drehten sich um.
Hinter ihnen saß in einer schrägen Position, die dem Gesetz der Schwerkraft widersprach, ein Mann auf einer Parkbank. Er trug einen grünen Feldparka und eine braune, verschlissene Cordhose, die über und über vor Schmutz starrte. An seinem grauen Vollbart klebten noch Speisereste des Vortags. In der Hand hielt er eine weiße Dose, auf der 'Dresdner Felsenbräu' zu lesen war. Zu seinen Füßen lagen zwei Plastiktüten: die eine verziert mit einem hellblauen A, die andere mit einem gelben Kreis auf blauem Grund, dessen Inschrift Frank nicht entziffern konnte. Er starrte die beiden mit offenem Mund an.
Nach einigen Sekunden wechselseitigen Abschätzens, sprach Tristan ihn an.
»Sind Sie ein Veteran?«
Der Alte brummelte etwas Unverständliches, dann rülpste er laut und ihm fielen die Augen zu.
»Lass uns weitergehen!«, meinte Frank und näherte sich eiligen Schritts dem ehemaligen Bahnhofsgebäude.
Die stetig an Kraft gewinnende Sonne enthüllte ein Symbol auf der weiß gestrichenen Wand vor ihnen: einen Halbmond, etwa einen Meter groß, das obere Drittel in schwarzer Farbe, das mittlere in roter und das untere Drittel golden.
»Deutsch-Türkischer Sportverein e. V.«, las Tristan laut vor, was neben dem Halbmond geschrieben stand.
»Auf der Krim war ein Hilfscorps der türkischen Marine stationiert«,

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