Alles bleibt anders (German Edition)
der Aktivierung des Signalgebers dazwischen, Frank.«
Erst jetzt wurde Frank etwas an seinem Transfer bewusst.
»Damals mussten wir extra von Oxford in die Hauptstadt, um die Reise in die andere Ebene, in das andere Germania durchzuführen. Gestern bin ich jedoch von dort bis hierher nach Bornholm transferiert worden.«
»Eine Auswirkung der neuen Erkenntnisse. Karens Transfer von hier bis hinüber auf den Kontinent nach Germania war der erste, den wir in der Praxis durchgeführt haben. Für die Reise durch die Zeit müssen wir nur noch ein paar Einstellungen verändern.«
»Es funktioniert?«, fragte Frank ungläubig. »Ohne Resonanzkörper, an jeden Ort, an jeden Zeitpunkt, den man auswählt?«
»Ja!«, Roberts Augen glänzten hinter seiner Brille. »Den Beweis haben wir noch nicht erbracht. Aber in der Theorie funktioniert es!«
»Dürfen wir in die Geschichte eingreifen? Ich habe erlebt, was unsere ersten Transfers verursacht haben. Ein Grab, auf dem mein Name steht. Lebensläufe, die wir verändert haben. Schicksale, für die wir die Verantwortung tragen. Karens Tod!«
»Ob wir eingreifen dürfen?«, Robert wurde lauter, stand mühsam auf und stützte sich mit seinen Fäusten auf den Tisch. »Wir müssen eingreifen, Frank! Wir müssen!«
Frank stand ebenfalls auf. Zwei Stieren gleich standen sie einander gegenüber, die sich ihre Hörner entgegen reckten. »Wir spielen Gott!«
»Die Reichsführung kennt keine Skrupel. Wir müssen agieren, schneller sein.«
»Weil die Partei keine Skrupel hat, legen wir die unseren auch ab? Merkst du denn nicht, dass wir uns schuldig machen?«
»Die NSDAP zwingt uns dazu, uns auf ihr Spiel einzulassen. Wir haben keine Alternative. Es ist der Hitler, der die Regeln bestimmt, nach denen wir zu spielen haben.«
»Nur, dass dies kein Spiel ist, Professor Robert Gothaer. Es ist das Leben. Wir reden über Menschen.«
»Ja, wir reden über Menschen und wir werden sie retten. Wir werden Menschen retten, die bereits gestorben sind!«
Frank wurde sich der Tragweite des letzten Satzes bewusst.
Franks erneutes »Wir spielen Gott!« war nur mehr ein Flüstern, die Aussage wurde vom Vorwurf zum nüchternen, schlichten Fakt. Er setzte sich wieder. Die Aussichten, die Robert verhieß, wischten seine Bedenken beiseite, so wie sie sie auch bei den anderen Anwesenden zur Seite geschoben hatten.
Robert sprach die Konsequenz aus, die sich aus seinen Worten ergab.
»Karen wird leben!«
Robert sackte zurück auf seinen Stuhl.
Er hatte gesiegt.
»Wir setzen an dem Punkt ein, an dem wir vor drei Jahren aufhören mussten. Wir werden in die 1944er Ebene reisen, wie wir es damals geplant hatten. Wir werden erfahren, wie unsere Welt aussähe, wäre die Anlandung der Alliierten im Juni 1944 von Erfolg gekrönt gewesen.«
Er machte eine kurze Pause, doch keiner widersprach.
»Danach werden wir entscheiden, welche der beiden Alternativen die bessere ist. Ich habe jetzt schon keinen Zweifel daran, welche es sein wird. Wir werden dann zurückreisen und die Vergangenheit entsprechend verändern.«
»Wie ist der Zeitplan?«, fragte Frank, ohne eine Emotion zu zeigen.
»Der Transfer wird heute Nacht stattfinden«, beschloss Robert, »das einzige, was wir von der 1944er Ebene aus Franks Erzählung wissen, ist, dass sich ein Park erstreckt, an der Stelle, an der in unserer Realität früher der Görlitzer Bahnhof stand und sich heute ein Einkaufszentrum befindet. Also wird dieser Ort das Ziel sein. Den Transfer führen wir in den frühen Morgenstunden durch. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass sich dann jemand im Park aufhält und etwas bemerkt.«
»Ich werde das zu Ende bringen«, sagte Frank in einem Tonfall, der keine Widerrede zuließ.
»Und ich werde dich begleiten«, ergänzte Tristan.
Robert nickte.
Durch die Zimmerdecke war ein dumpfes Klopfen zu hören.
»Meine Mutter«, sagte Jan zu Frank gerichtet, »sie möchte, dass ich nach oben komme und abräume.«
4
Aus dem fluoreszierenden Grün schälte sich eine zunächst verschwommen wirkende und dann zunehmend klarere Umgebung.
Die Morgendämmerung tauchte Bäume und Sträucher ins Zwielicht, kämpfte auf verlorenem Posten ihren täglich wiederkehrenden Kampf gegen das Licht der aufsteigenden Sonne.
Die zwei Reisenden fühlten sich wach und ausgeruht. Nach den bedeutungsschweren Diskussionen des vergangenen Nachmittags waren sie früh zu Bett gegangen. Schlaftabletten hatten ihnen dabei geholfen, einen schnellen und erholsamen Schlaf zu finden. Eine
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