Alles bleibt anders (German Edition)
linken Ohrläppchen verbunden war. Um den Hals trug sie das gleiche Hundehalsband, das sie auch ihrem Hund angelegt hatte.
Der Junge trug einen knallroten, etwa dreißig Zentimeter in die Höhe stehenden Kamm anstelle einer ordentlichen Frisur. Links und rechts des Kamms war der Schädel makellos glatt rasiert. Seine Augenbrauen fehlten völlig, dafür hatte er sich die Lider dunkelrot gefärbt, gleichwohl die Lippen. An seiner rechten Ohrmuschel hingen etwa ein Dutzend Sicherheitsnadeln, seinen Hals umschloss ein stählerner Ring, aus dem fingerlange Stacheln ragten.
Gekleidet waren die beiden in schwarzes Leder. An den verschiedensten Stellen hingen Karabiner, Ketten und weitere Sicherheitsnadeln. Ein System darin konnte Frank nicht erkennen. Embleme und Bilder aus Stoff waren auf das Leder aufgenäht. Eines davon war eine Faust, die ein Hakenkreuz zerschmetterte.
Ein Klimpern riss Frank aus seinen Gedanken.
Das Mädchen streckte ihm einen Plastikbecher entgegen und schüttelte ihn.
»Nur ein paar Cent«, sagte es, »für Hundefutter.«
Frank beachtete das Mädchen gar nicht, zog Tristan am Ärmel und zeigte mit dem Finger auf die beiden Jugendlichen.
Das Mädchen, das sich mittlerweile fühlte, wie ein Tier in einem Käfig, von Zoobesuchern angegafft, begriff sofort, dass mit den beiden etwas nicht stimmte.
Es fixierte vor allem Tristans großen, athletischen Körper. Dann stellte es ihnen eine Frage.
Frank verstand etwas wie »Ar iu eimisch piepl?«, und zuckte mit den Schultern.
»Wir sind fremd hier!«, sagte Tristan. »Wir suchen die Amerika-Jedenk-Bibliothek.«
»Die Amerika-Gedenk-Bibliothek? Die ist am 'Halleschen Tor', vier Stationen von hier. Diese Richtung!«
Ohne sich umzudrehen, deutete sie nach hinten zum rechten der beiden U-Bahn-Aufgänge.
»Aber wir haben kein Geld«, fasste Tristan seine Gedanken laut zusammen.
Der Junge stieß dem Mädchen mit dem Ellbogen in die Seite.
»Gib ihnen was. Sind doch arme Kerle, Tarzan und sein Kumpel.«
»Nehmt euch was raus«, sagte schließlich das Mädchen, das den Plastikbecher immer noch unter Franks Nase hielt.
»Wir brauchen einen Euro pro Fahrkarte, hat der Herr gesagt, der die Billets verkauft.«
Tristan zeigte auf den ungepflegten, langhaarigen Mann, der sie vorhin angesprochen hatte.
»Sagt Django einen schönen Gruß von Friederike und er soll euch beide Tickets für einen Euro geben.«
Als das Mädchen sah, dass Frank unschlüssig blieb und immer noch zögerte, erkannte sie sein Problem.
»Das silberne Geldstück mit dem goldenen Rand.«
Frank griff in den Becher und fischte sich die beschriebene Münze heraus.
Dann folgten er und Tristan der Empfehlung des Mädchens, bezahlten den einen Euro und kamen zu den beiden Jugendlichen zurück.
»Vielen Dank, Fräulein Friederike«, sagte Frank und der Junge kicherte.
»Fehlt ja nur noch ein Handkuss«, meinte er zu Frank, doch das war Frank dann doch zu viel des Guten und gemeinsam mit Tristan hastete er die Stufen zur U-Bahn-Trasse nach oben.
Die beiden sahen sich um, um zu überprüfen, ob sie direkt neben einer öffentlichen Toilette standen. Der Gestank hier ließ darauf schließen, doch entdecken konnten sie keine.
»U1 Uhlandstraße in 1 min«, stand in orangefarbener Leuchtschrift auf einer schwarzen Anzeigetafel neben dem Bahngleis und tatsächlich fuhr kurze Zeit später eine gelbe U-Bahn in den Bahnhof ein.
»Einsteigen, bitte«, tönte eine Frauenstimme aus einem Lautsprecher.
Der Zustand der U-Bahn ähnelte dem des Bahnhofs: der Boden klebrig-schmutzig, die Scheiben verkratzt, die Sitzpolster verschmiert. Zumindest gab es Kopfgeld, wenn man einen Vandalen erwischte und meldete, las Tristan an einem Aushang.
»Zurückbleiben, bitte.«
Mit einem lauten, dissonanten Hupton und einem roten Warnlicht neben den Schiebetüren schloss sich der U-Bahn-Waggon.
Frank und Tristan setzten sich.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung«, begann eine Frau, die direkt vor ihnen stand und den Wagen entlang blickte. Sie war stark geschminkt und in Händen hielt sie einen ganzen Stapel an Zeitschriften.
»Mein Name ist Carmen«, sagte sie, »und ich lebe seit drei Jahren auf der Straße. Meinen Schlafplatz und meine tägliche warme Suppe sichere ich mir mit dem Verkauf des Obdachlosenmagazins 'Der Straßenfeger'. Er kostet einen Euro und zwanzig. Sechzig Cent gehen an den Verlag, sechzig Cent an mich. Bitte helfen Sie mir mit dem Kauf einer Zeitschrift über einen weiteren Tag.«
Frank und Tristan mussten genauestens
Weitere Kostenlose Bücher