Alles bleibt anders (German Edition)
bin, wenn sie erst wieder ansprechbar ist. Und mein früherer Hausarzt, Dr. Anklamer, ebenso. Ich gebe Ihnen gerne seine Adresse.«
Mit Unbehagen dachte Frank daran, wie skeptisch Claire bezüglich seiner Identität war.
»Wir werden das überprüfen, 'Herr Miller'. Verlassen Sie sich drauf! Mein Instinkt sagt mir, dass hier etwas mehr als faul ist.«
»Es tut mir leid, dass ich noch nicht die entsprechenden Behörden aufgesucht habe. Sie können mir glauben, dass es mir nicht gerade leicht fällt, mich zu Recht zu finden. Ich werde morgen Vormittag sofort aufs Amt gehen, um die notwendigen Dinge zu erledigen«, sagte Frank und ergänzte: »Vorausgesetzt, der Zustand meiner Mutter lässt das zu.«
»Das möchte ich Ihnen auch geraten haben! Wenn Ihre Geschichte der Wahrheit entspricht, haben wir eine nicht identifizierte Leiche. Es muss alles seine Ordnung haben im Staate Preußen.«
Das Stakkato der auf das Fensterglas hämmernden Regentropfen begleitete nun das Gespräch.
»Aus Rücksicht auf den Zustand Ihrer Mutter, verzichte ich darauf, dass Sie uns begleiten. Ich möchte Sie aber morgen auf der Wache sehen, mit einer Bestätigung der Meldebehörde, dass Sie dort vorgesprochen haben. Danach melden Sie sich spätestens alle achtundvierzig Stunden bei uns, bis Ihre Identität geklärt ist.«
Ein Befehl, keine Bitte.
»Ja«, antwortete Frank kleinlaut.
Für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, dem Kommissar vom Handgemenge mit seinem gestrigen Verfolger zu erzählen, ihn auf den Mann aufmerksam zu machen, der Claire und ihn heute am Müggelsee beobachtet hatte. Er unterließ es. Das hätte nur Claire weiter in die Sache hineingezogen und das wollte er ihr nicht auch noch zumuten.
»Gibt es noch etwas, das Sie mir mitteilen möchten, Herr Miller?«
Frank schüttelte den Kopf und war höchst erleichtert, als Dr. Hohmann im Türrahmen erschien, den Arztkoffer in der Hand, die Jacke wieder angezogen.
»Wie geht es ihr?«
»Sie schläft jetzt. Ich habe ihr ein Beruhigungsmittel gegeben.«
»Hat sie noch etwas erzählt?«
»Der Hauptauslöser ihres Schocks war wohl, dass sie den Einbrecher auf frischer Tat ertappte, als sie vom Wochenmarkt nach Hause kam. Als er sie bemerkte, ist er vor Schreck einfach aus der Wohnung gerannt und hat sie dabei beinahe umgerissen. Die Aufregung der letzten Tage war wohl zu viel für sie.«
Beim letzten Satz blickte er Frank an.
»Konnte sie den Täter beschreiben?«, fragte Gröber. »Hat sie eine Idee, was er gesucht haben könnte?«
»Ich denke, das alles muss Zeit bis morgen haben.«
Kommissar Gröber zeigte Einsicht. Er stand auf und verabschiedete sich.
»Wir sehen uns dann morgen, Herr Miller.«
Er nickte dem Psychiater noch einmal zu, blickte noch einmal missmutig durchs Fenster hinaus in den Regen und verließ zusammen mit seinen beiden Kollegen die Wohnung.
»Ich danke Ihnen, Dr. Hohmann.«
»Schon in Ordnung. Zugegebenermaßen ein interessanter Fall, Ihre Geschichte. Sagen Sie Herr Miller, kann es sein, dass Sie sich – früher – mit Psychiatrie oder Psychologie beschäftigt haben?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe heute mit einem ehemaligen Kommilitonen zu Mittag gegessen. Tatsächlich habe ich wohl seinerzeit Medizin studiert. Mag sein, dass ich mich auch mit Psychiatrie oder Psychologie beschäftigt hatte. Warum fragen Sie?«
»Nun, Sie hatten bei Ihrem Besuch einen gewissen Sigmund Freud erwähnt. Mir war gleich so, als hätte ich den Namen schon einmal gelesen und habe etwas nachgeforscht. Es gab jemand dieses Namens in Wien im vorletzten Jahrhundert. Er praktizierte als Facharzt für Nervenleiden. Im Jahr 1900 hat er ein Buch veröffentlicht: 'Die Traumdeutung'. Hoch gelobt in allen Fachkreisen rund um den Globus – leider ist er noch im selben Jahr gestorben. Die Begleitumstände eher mysteriös: Er war vor einen Fiaker gestürzt, dessen Kutscher die Kontrolle verloren hatte, die Pferde haben ihn zu Tode getrampelt. Es war ein großer Verlust für die Wissenschaft. Was hätte dieser Mann noch leisten können!«
Dr. Hohmann sah Frank neugierig und eindringlich an, gerade so als hätte er die Macht, die Geheimnisse seiner Patienten förmlich aus ihnen herauszureißen. Dann zwinkerte er Frank zu, wie er es auch bei dessen Besuch in der Praxis so oft getan hatte. »Mich wundert, dass Sie ihn kennen«, fuhr der Psychiater fort. »Gehört nicht unbedingt zur Allgemeinbildung und ist für mich eher ein Anhaltspunkt, dass Sie, wenn schon nicht vor Ihrem Verschwinden,
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