Alles bleibt anders (German Edition)
dann doch innerhalb der letzten drei Jahre mit Psychologie oder verwandten Wissenschaftsgebieten zu tun hatten. Vielleicht hilft Ihnen das ja weiter.«
Doch Frank sah leider nicht so aus, als ob ihm der Hinweis nützlich wäre.
»Und noch etwas!«
Der Psychiater zog eine zusammen gefaltete Zeitung aus der Innentasche seine Jacke.
»Auch das könnte Sie interessieren. Ich bin zufällig darauf gestoßen.«
Er breitete die aktuelle Ausgabe des 'Tagesspiegels', wie Frank auf der Frontseite las, auf dem Küchentisch aus und blätterte bis zur Rubrik 'Stadtleben' vor. Dann deutete er mit dem Zeigefinger auf einen kleinen Artikel rechts unten:
In der Gaststätte 'Preußens Glanz und Gloria' im Grunewald fand gestern die Gründungsveranstaltung einer neuen Partei statt. Die Partei erhielt den Namen 'Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei', kurz 'NSDAP', und will bereits bei der kommenden Wahl antreten.
Sie wolle sich für die Belange der Arbeiterschaft im Reiche einsetzen und zudem ihr Hauptaugenmerk auf die Durchsetzung deutscher Interessen richten, so die Aussage der Versammlung. Als Parteisymbol wurde ein schwarzes Hakenkreuz in einem weißen Kreis mit rotem Rand gewählt.
Als erforderliche Gründungsmitglieder waren anwesend: Konrad Berger, Dr. Wolf Bigus, Franz Dobermann, Helmut Feldmeier, Peter Karbowy, Bert Rohrmeier und Dr. Dieter Wiegand.
12
Dank des Beruhigungsmittels schlummerte Franks Mutter selig neben ihm, ab und zu hörte er sogar ein schwaches Schnarchen aus ihrer Richtung. Rings ums Ehebett herum hatte er, als Dr. Hohmann die Wohnung verlassen hatte, möglichst leise zumindest die gröbste Unordnung beseitigt. Immer wieder quälte Frank die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, in eine Pension oder ein Hotel zu ziehen. Der Einbrecher hatte wahrscheinlich nicht gefunden, was er gesucht hatte, vermutete Frank, und es war nur eine Frage der Zeit, dass er zurückkehrte. Dennoch hielt er es für unwahrscheinlich, dass er nur wenige Stunden später wieder aufkreuzte. Ein Blick aus dem Fenster überzeugte Frank zudem, dass die Gendarmerie den Fall noch nicht für abgeschlossen hielt: Auf der anderen Straßenseite, unter einem Vordach vom Regen geschützt, stand ein Wachmann und hielt den Hauseingang aufmerksam unter Beobachtung.
Gegen drei Uhr fiel Frank endlich in einen tiefen traumlosen Schlaf, aus dem er etwa viereinhalb Stunden später wieder erwachte. Er drehte sich auf die andere Seite: Der Platz neben ihm war leer. In der Küche hörte er Geräusche. Als er barfuß und noch im Schlafanzug hinüberging, war seine Mutter gerade dabei, Ganzes von Kaputtem zu trennen, Verdorbenes von noch Verwertbarem. Mit Wehmut musterte sie eine Scherbe, auf der man die Überreste einer roten Rose nur dann erkennen konnte, wenn man wusste, wie die Tasse in heilem Zustand ausgesehen hatte. Es klirrte im Jutesack in ihrer rechten Hand, als sie die Scherbe schließlich hineinwarf.
Frank räusperte sich vorsichtig, damit seine Mutter nicht erschrak.
»Wie geht es dir, Mutter?«
Sie zögerte.
»Zumindest etwas besser als gestern Abend. Ich kann mich gar nicht mehr an alles erinnern. Es sind nur noch Bruchstücke da.«
Es duftete nach Kaffee. Der Herd war von Luise frei geräumt worden und auch der Tisch sah schon wieder sehr manierlich aus. Sie hatte ihn abgewischt und mit den wichtigsten Dingen gedeckt, die sie in dem Chaos am Boden gefunden und gereinigt hatte. Sogar das Glas mit der Marmelade aus Schönow war ganz geblieben.
Die beiden versuchten das Durcheinander am Boden möglichst zu ignorieren, als sie sich an den Frühstückstisch setzten. Während Frank seiner Mutter Kaffee einschenkte, fasste er ihr den Verlauf des gestrigen Abends noch einmal zusammen.
»Es tut mir leid«, schloss er.
Luise antwortete nicht.
»Vielleicht ist es besser«, begann sie nach einer kurzen Pause, »wenn ich für ein paar Tage zu Ursel nach Schönow raus fahre.«
»Eine gute Idee.« fand Frank. »Ich bleibe hier und werde mich um alles kümmern. Wenn du zurückkommst, wird die Wohnung wieder sein wie früher.«
»Frank?«
»Ja?«
»Was hat er gesucht, dieser Mann gestern?«
»Ich weiß es nicht, wirklich.«
»Dein Hemd vorgestern; es sah für mich nicht so aus, als hätte es ein Ast aufgeschlitzt, dafür waren der Riss im Stoff und auch deine Wunde viel zu gerade und gleichmäßig.«
Und dann – Frank war äußerst überrascht – zog sie den Schluss aus beiden Vorfällen, noch ehe Frank den Zusammenhang erkannte.
»Hast du
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