Alles bleibt anders (German Edition)
kommt.« Diesmal gingen sie gemeinsam den Rückweg zum Nordufer. Dass ihr Verfolger immer noch hinter ihnen war, hielten sie für nahezu ausgeschlossen. Dafür waren sie nun viel zu wachsam. Dennoch blieb Frank am Droschkenstand noch eine Weile stehen, nachdem Claire abgefahren war, um sicher zu gehen, dass ihr niemand folgte.
Dann dachte er daran, wie er heute Vormittag gerade noch rechtzeitig auf den Bus aufgesprungen war. Er schlenderte zur Haltestelle der Städtischen Straßenbahn Cöpenick. Als eine Tram anhielt, gab er sich weiterhin uninteressiert und erst als sie anfuhr, sprang er auf die hintere Plattform. Nach hinten blickend, entdeckte er niemanden, der ihm nacheifern wollte und war sich sicher, dass sowohl Claire als auch er selbst nun unbehelligt waren.
Jemand stupste ihn an.
Frank drehte sich um und sah direkt dem Schaffner in die Augen.
Es war natürlich ein anderer als heute Vormittag im Bus, der missmutige Gesichtsausdruck aber war der gleiche.
11
Als ob allein über dem Müggelsee ein Hoch gewesen wäre, wurde das Wetter während der Heimfahrt zunehmend schlechter. Der Himmel verfinsterte sich, die letzten Reste in blau verschwanden hinter schweren, dunklen Wolken. Noch hielten sie ihre Wassermassen zurück, doch zusammen mit der einbrechenden Dämmerung, ließen sie Frank schnellen Schritts von der Haltestelle zur Wohnung seiner Mutter eilen, um trocken nach Hause zu kommen.
Der schnelle Schritt wurde zum Sprint, als Frank im dunklen Grau der Straße ein schwarzes Automobil vor dem Haus stehen sah, auf dem in großen weißen Buchstaben GENDARMERIE zu lesen stand.
Er rannte die Treppen hoch und vor lauter Aufregung misslang sein erster Versuch, den Schlüssel ins Schlüsselloch zu bugsieren. Da öffnete sich die Tür auch schon vor ihm: Ein Uniformierter packte ihn am Arm und zog ihn ins Wohnungsinnere.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?«
Und dann rief der Gendarm nach hinten: »Herr Kommissar! Hier ist jemand!«
Ein etwa sechzig Jahre alter Mann tauchte aus dem Schlafzimmer von Franks Mutter auf, er trug einen grauen Anzug und eine rote Fliege. Seine Augen waren hinter einer dicken Brille zusammengekniffen.
»Meine Mutter!«, schrie ihn Frank an. »Was ist mit meiner Mutter?«
Frank versuchte sich loszureißen, um selbst nach dem Rechten zu sehen, doch der Wachtmeister hielt ihn unbarmherzig fest.
»Sie sind Herr Frank Miller, der Sohn von Frau Luise Miller?«
Der Kommissar blieb ruhig und gelassen, dennoch meinte Frank einen Unterton aus der Stimme herauszuhören, den er nicht einzuordnen vermochte.
»Ja, verdammt! Lassen Sie mich los!«
Mit seiner ganzen Kraft machte Frank einen Schritt nach vorn auf den Kommissar zu, da hatte ihn der Wachtmeister aber schon wieder im Griff und es gelang ihm, Frank zu stoppen.
Doch Frank war nun weit genug im Flur, um das Schlafzimmer einsehen zu können.
Er atmete auf. Da saß sie, seine Mutter, auf der Bettkante, in sich zusammengesunken. Sie war am Leben. Ein weiterer Uniformierter war neben ihr, hielt ihr die Hand und redete auf sie ein, mit der Situation war er sichtlich überfordert.
»Sie hat einen schweren Schock erlitten!«, hörte er die Stimme des Kommissars, als er des Tohuwabohus um seine Mutter herum gewahr wurde. Die Schranktüren standen alle geöffnet; dort wo vor wenigen Stunden noch Schubladen waren, gähnten nur noch Löcher in den Kommoden und Schränken. Die Schubladen ihrerseits lagen am Boden herum, teilweise zertrümmert, ihr Inhalt lag in wildem Durcheinander über den ganzen Raum verteilt. Wie Frank jetzt erkannte, erstreckte sich das Chaos weiter in den Gang hinein, auch vor der Garderobe und dem Schuhschrank im Flur war nicht Halt gemacht worden. Franks Blick ging hinüber in die Küche, sämtliche dort und im angeschlossenen Wandschrank verwahrten Nahrungsmittel, Haushaltsgeräte und Reinigungsmittel lagen herausgezerrt über Boden, Tisch und Spülbecken verstreut, vermischten sich zum Teil zu übel riechenden Gemengen.
Nachdem ihn der Wachtmeister los gelassen hatte, setzte sich Frank zu seiner Mutter aufs Bett.
Er sprach sie an, berührte sie, doch sie reagierte nicht auf ihn. Sie starrte nur stumpf zu Boden.
»Wir sind noch nicht lange hier, aber so sitzt sie wohl schon seit mindestens einer Stunde«, wandte sich der Kommissar an Frank. »Ein Nachbar hatte Verdacht geschöpft, weil die Wohnungstür sperrangelweit offen stand, als er nach Hause kam. Er ging hinein und entdeckte Ihre Mutter und die Wohnung in diesem
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