Alles bleibt anders (German Edition)
zögerte, doch seine Neugierde siegte über sein Taktgefühl.
»Außerdem behauptet er, dass sie sich möglichst aus dem Weg gehen.«
»Ich weiß, dass mein Mann nicht sonderlich beliebt ist«, kam die für Frank überraschende Antwort. »Auch damit habe ich zu leben gelernt.«
»Es macht mich stutzig, dass Jakob weiterhin sagt, dass er und Dieter Wiegand schon zu Studienzeiten keine guten Freunde waren und für Frank und Dieter träfe das genauso zu.«
Claire begriff nicht, worauf Frank hinaus wollte.
»Sowohl Sie als auch meine Mutter sprechen davon, er wäre früher ein guter Freund von Frank gewesen. Meine Mutter habe ich heute Morgen danach gefragt und sie sagte mir, sie habe erst durch Ihre Erzählung von ihm erfahren. Dass Frank ihn einmal erwähnt hätte, daran kann sie sich nicht mehr erinnern.«
»Vielleicht hat sie es schlicht und einfach vergessen. Sie ist ja auch nicht mehr die Jüngste.«
»Glaube ich nicht. Sie hat mir heute früh über dreißig Namen genannt und ich habe sie alle aufgeschrieben; Leute, mit denen Frank im Laufe der Jahre befreundet war. Ein Jakob Levy steht auf der Liste, ein Dieter Wiegand nicht.«
»Aber …«
»Verstehen Sie denn nicht? Er hat Ihnen vorgemacht, er trauere mit Ihnen, als er Sie im Park ansprach. Er trauere um einen sehr guten Freund, nur dass Frank das nicht für ihn war.«
Claire glaubte Frank nicht. »Warum hätte er das tun sollen?«
Darauf wusste Frank keine Antwort.
Ein Rascheln. Franks Sinne waren geschärft – seit dem gestrigen Vorfall.
Und da stand er: sein Verfolger vom Vortag.
An einer anderen Stelle, aber Frank hatte ihn entdeckt; hinter einer Birke.
Er sprang auf und rannte los. Der andere Mann ergriff die Flucht und Frank folgte ihm, quer durch das bewaldete Ufergebiet. Brechende Zweige. Knackende Äste. Mehrere hundert Meter liefen sie zwischen den Nadel- und Laubbäumen hindurch. Franks Atem ging nur noch stoßweise. Er musste anhalten, das wurde ihm klar. Ein paar Meter konnte er noch schaffen, er wollte ihn kriegen und endlich zur Rede stellen. Seitenstechen. Ein gefällter Baum. Hinsetzen.
Frank sah den Unbekannten in der Ferne im Grün verschwinden.
Keuchend schleppte er sich zurück und Claire, die bereits aufmerksam den Waldrand beobachtend auf seine Rückkehr gewartet hatte, lief ihm entgegen, um ihn zu stützen. »Es war der selbe Mann wie gestern«, keuchte er. »Wie bitte?«, fragte Claire, als sie ihm half, sich wieder auf die Bank zu setzen. »Er hat uns beobachtet, gestern. Und er hat mich verfolgt, nachdem Sie gegangen waren. Ich habe ihn am Spreetunnel gestellt.« Er öffnete ein wenig sein Hemd, um ihr den Wundverband zu zeigen, den ihm seine Mutter angelegt hatte. »Mein Gott! Ist es schlimm?« »Nur ein Kratzer!« »Aber wer ist er?« »Ich werde es herausfinden«, sagte Frank mit großer Überzeugung. »Viel wichtiger ist im Moment eine andere Frage.« »Was meinen Sie?« »Wie kam er hierher?« »Er ist Ihnen heute wieder nachgegangen!«, antwortete Claire. »Das ist die eine Möglichkeit, doch ich war äußerst wachsam und bin mir hundertprozentig sicher, dass niemand hinter mir war, als ich hier ankam. Die andere Möglichkeit …«
Und nicht Frank sprach den Satz zu Ende, sondern Claire.
»Er ist mir gefolgt!«
Erst als sie ihre eigenen Worte hörte, wurde ihr deren Bedeutung bewusst.
Ein Zittern ging durch ihren Körper, ihre Wangen verloren ihre sanfte Röte.
»Wer könnte ein Interesse haben, Sie oder mich zu verfolgen?«
»Oder verfolgen zu lassen«, ergänzte Frank. »Ich hatte gehofft, dass Sie mir darauf eine Antwort geben könnten …« Claire überlegte. »Also, aufgefallen ist mir in den letzten Tagen niemand.« »War sonst etwas anders als sonst?« Sie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Frank verstand den Gesichtsausdruck: »Abgesehen von mir!« Claire schüttelte den Kopf. »Ich selbst«, begann Frank von neuem, »hatte vorgestern Abend das erste Mal den Eindruck, beobachtet zu werden. Waren Sie das an der Häuserecke, als ich dem Droschkenkutscher die Adresse meiner Mutter nannte?«
»Nein. Dazu wäre ich überhaupt nicht in der Lage gewesen. Ich muss mehrere Minuten lang nur apathisch im Sessel gesessen haben. Das erste, an das ich mich wieder erinnere, ist …«
Für einen Moment blieben ihr die Worte weg.
» …, dass Dieter zur Haustür hereinkam. Er wäre noch einmal um den Block gegangen, sagte er.« Unvermittelt stand sie auf. »Ich muss los. Ich möchte zu Hause sein, wenn Dieter aus der Klinik
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