Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
Vom Netzwerk:
pommerschen Küste ging es hinüber nach Bornholm. Seit seiner Flucht aus dem Bürogebäude am Westhafen waren schließlich fast zwei Monate vergangen, als er endlich auf Bornholm eintraf.
Die Speicherstäbe, die er aus Oxford nach Germania gebracht hatte, hatten all die Zugangswörter und Berechtigungen enthalten, die wichtig für unser Projekt gewesen waren. Sie waren endgültig verloren, schlimmer noch: Sie waren in den Händen der Reichsführung. Doch Tristan hatte sich zusätzlich abgesichert. Wir hatten ihn, glaube ich, alle unterschätzt. Wenn überhaupt jemand Tristans wahre Fähigkeiten erkannt hatte, dann war es Robert. Sämtliche Daten seiner Speicherstäbe hatte Tristan ein weiteres Mal geschützt. Um ihre tatsächliche Struktur zu erhalten, musste man sie durch eine Art 'Filter' schicken. Ohne diesen Filter waren sie wertlos. Der Filter, das war eine Buchstaben- und Zahlenkombination aus sage und schreibe 256 Ziffern, die Tristan auswendig gelernt hatte.«
»256 zusammenhanglose Buchstaben und Zahlen?«
Karen nickte.
»Und das ist noch nicht einmal alles: Er hatte einen Virus entwickelt, der die Speicherstäbe löscht, sollte sieben Tage hintereinander nicht der Filter aktiviert worden sein. Er war der Meinung, dass der Inhalt der Speicherstäbe ohne diesen Filter nicht zu knacken wäre und dass die Gestapo sich die Zähne daran ausbeißen würde. Wie wir erst viel später erfuhren, war dem auch so.
Nichtsdestotrotz waren nun die Daten unseres Forschungsprojekts auch für uns nicht mehr zugänglich, denn ohne die Speicherstäbe war auch der Filter wertlos. Zum Zeitpunkt, als Tristan auf Bornholm ankam, so seine damalige Meinung, waren die Passwörter auf den Speicherstäben mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits unwiederbringlich gelöscht.
In mühevoller Kleinarbeit begann er, aus dem Gedächtnis zu eruieren, an welchen Rechnern im reichsweiten Netz er all die Programme und Daten ausgelagert und getarnt hatte. Zudem musste er die Zugangssicherungen umgehen oder knacken und dafür sorgen, dass sein Eindringen auf fremde Rechner unbemerkt blieb.
In dieser Situation befand er sich, als andere Widerständler herausgefunden hatten, was mein damaliges Schicksal gewesen war. Mein Abtransport nach Trakehnen war ein Glücksfall für sie. Sie hatten mich bereits abgeschrieben, als sie von meiner Verlegung nach Sachsenhausen erfahren hatten. Dort oder auf der Fahrt dorthin wäre ein Zugriff undenkbar gewesen. Und nachdem sie Tristan von meiner Verlegung nach Trakehnen berichtet hatten, ließ er es sich nicht nehmen, selbst an meiner Befreiungsaktion teil zu nehmen.
Für ihn stellte es sich sogar noch als weiterer Glücksfall heraus.«
»Warum?«
»Barbara, die attraktive Blondine, die mit mir im Panzerwagen nach Trakehnen saß;
Tristan und sie wurden ein Paar. Ein arisches Bilderbuchpaar, sozusagen. Die Reichsführung wäre stolz auf sie, befänden sie sich nicht auf der falschen Seite. Sogar sein Stottern hat Barbara besiegt.«
»Wie das?«
»'Barbara saß nah am Abhang.'«
»Ich verstehe nicht.«
»Sprachübungen! Zum Beispiel: 'Barbara saß nah am Abhang' für das 'a'. Oder für das 'i': 'Spitzfindig ist die Liebe!'. Barbara war Dramaturgin am Staatstheater, bevor sie in Ungnade gefallen und nach Sachsenhausen deportiert worden war.« Karens Blick ging nach oben zur bemalten Kirchendecke. Lächelnd schickte dort ein alter, weißhaariger Mann, der auf einer Wolke thronte, eine Vielzahl junger Frauen und Männer, die Flügel trugen, in alle Himmelsrichtungen davon. »Es streben der Seele Gebete den helfenden Engeln entgegen«, sinnierte Karen, »die Übung für das 'e'!«

4
     
    »Weitere vier Monate benötigten wir, um herauszufinden, was mit Robert geschehen war. Über einen Kontaktmann bei der Gestapo erfuhren wir schließlich, dass er sich in Caputh aufhielt. Davor war er, wie ich, in Hohenschönhausen gewesen. Verstehst du, Frank? All die Monate, die ich dort in der Zelle und bei den Verhören litt, war Robert nur wenige Meter von mir getrennt gewesen. In denselben Räumen mit denselben Gerätschaften gefoltert. Auch ihn haben sie schließlich gebrochen. Nachdem er alles gestanden und seine komplette wissenschaftliche Arbeit offen gelegt hatte, wurde er in die Obhut von Professor Hemmbacher gegeben; wobei 'Obhut' nur das schönere Wort für 'Hausarrest' ist. Robert ist viel zu kostbar für die Reichsführung, als dass sie ihn irgendwo ermorden oder sterben lassen könnten. Sie brachten ihn zu Hemmbacher nach

Weitere Kostenlose Bücher