Alles bleibt anders (German Edition)
einen Informanten erfahren hatten, war, dass Dieter auf zwei Hochzeiten getanzt hatte. Das, was er uns über sich erzählt hatte, war nur ein Teil der Wahrheit. Erinnerst du dich an seine Erzählung, seine Zeit in der Charité betreffend?«
»Diese grausamen Menschenversuche in den Untergeschossen«, fiel Frank wieder ein.
»Genau. Dieter berichtete von zwei Kommilitonen, die ebenfalls dort unten gewesen waren.«
»Ich erinnere mich. Ihre Namen waren …«
»Friedhelm und Walter. Bis dahin stimmt Dieters Geschichte auch, zumindest, was das Grobe betrifft. Doch der Verräter war nicht Friedhelm, wie uns Dieter weismachen wollte. Er war es selbst. Dieter hat Friedhelm und Walter ans Messer geliefert. Sie wurden direkt an Ort und Stelle exekutiert. Auf die Knie, Pistole an die Schläfe und Schuss. Dieter stand zufrieden grinsend daneben.«
»Wie habt ihr das in Erfahrung gebracht?«
»Wenn wir die Kontakte, die wir heute haben, bereits in Oxford gehabt hätten, wäre vieles optimaler gelaufen. Mann, was waren wir naiv! Wir hatten gedacht, wir fünf könnten unser Projekt ganz alleine gegen das komplette Macht- und Spionagesystem der Partei durchziehen. Und Robert war ebenso einfältig wie wir Studenten. Wir hätten uns viel früher Gleichgesinnten anvertrauen sollen. Die Verbindungsleute, die Robert ja hatte, und die den Transport der Sarkophage nach Germania und das alte Lagerhaus am Westhafen organisiert hatten, hätte er viel intensiver einbinden müssen. Und wir hätten die ganze Verantwortung nicht allein bei Robert belassen sollen. Aber danach ist man ja immer klüger.«
Frank zählte eins und eins zusammen.
»Hat Dieter unsere Rechner manipuliert?«
»Ja. Er hat dafür gesorgt, dass ihr nicht in die 1944er Ebene gereist seid, sondern in die 1399er. Deswegen hatten auch die Monitore geflackert.«
»Das hier«, Frank sah sich in der Dreifaltigkeitskirche um, in der inzwischen der Messner den Hauptaltar mit einem weißen Tuch versehen hatte, auf das er nun drei schwere, goldene Kerzenständer stellte, »das hier ist die 1399er Ebene?«
»Genau.«
»Was ist 1399 passiert, das die Zeit so anders und doch wiederum so ähnlich verlaufen ließ? Es scheint, es hat die Entwicklung verzögert, aber die Geschichte doch relativ ähnlich verlaufen lassen.«
»Ich weiß es nicht.«
»Wo und wann bist du aufgetaucht?«
»Die andere Karen ist gegen Mitternacht eingeschlafen und wir haben den Transfer durchgeführt. Wie ich festgestellt habe, ist sie ebenfalls politisch aktiv. In ihrer kleinen Wohnung lagen etliche Stapel von Flugblättern herum: Einladungen zu Veranstaltungen, Aufrufe zu Demonstrationen, Aufklärungsschriften.«
»Zu welchem Thema?«
»'Gleichberechtigung der Frau in Staat und Gesellschaft'. Sie scheint selbst zu den Initiatoren zu gehören. Ich kann auf die andere Karen wirklich stolz sein.«
»Wie könnte es auch anders sein?«, lächelte Frank.
Er lehnte sich zurück, sah zu den Engeln an der Kirchendecke und ließ die Worte Karens und die wieder sichtbar gewordenen Bilder in seinem Gedächtnis auf sich einwirken.
»Er ist ebenso am Leben!«, sagte er.
»Wer?«
»Dieter! Ich habe ihn getroffen!«
Jetzt war es an Karen, überrascht zu sein.
»Und du bist dir sicher, dass es nicht sein Alter Ego ist?«
»Ich fürchte: ja. Er hat mich geduzt und die Art und Weise, wie er mit mir geredet hat, lässt keinen Zweifel offen.«
Dann erzählte er ihr von dem Zeitungsausschnitt, den ihm Dr. Hohmann gezeigt hatte, von der Gründung der NSDAP.
Frank erinnerte sich mittlerweile wieder an zahlreiche Situationen, die er zusammen mit Karen erlebt hatte, doch an keine, in der sie so bleich war wie in diesem Augenblick.
»Was haben wir getan, Frank?«, fragte sie entsetzt.
Doch Frank antwortete nicht.
»Wir wollten den Nationalsozialismus aus unserer Welt tilgen und haben ihn dafür in diese gebracht? Sag mir, dass das nicht wahr ist, Frank!«
Sie hatte ihn am Oberarm gepackt und schüttelte ihn. Gleichzeitig war sie lauter geworden und die beiden älteren Damen, der Messner und eine Frau in schwarz, die eben aus der Sakristei heraus das Kirchenschiff betreten hatte, starrten nun zu den beiden.
»Es ist wahr«, flüsterte Frank.
»Wir müssen das korrigieren«, entgegnete Karen, ohne lange zu überlegen.
»Das ist noch nicht alles!«
»Was noch?«
»Er ist mit Claire verheiratet! Und Claire war die Verlobte meines Alter Egos, bevor er…«
»Bevor er 'was'?«
»Gestorben ist? Umgebracht wurde? Durch unser Experiment getötet
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