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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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Spuren hinterlassen.«
Betreten sah sie in ihren Schoß.
»Und es gab noch Schlimmeres.«
Sie errötete.
»Irgendwann hatten sie mich soweit. Karen Degner war gebrochen. Ich erzählte ihnen alles. Vom Experiment. Vom Professor. Von Dieter und Tristan. Von dir, von mir.«
»Du hast uns alle verraten?«
»Ja! Jeder hätte es getan! Aber – sie wussten es bereits!«
»Ich verstehe nicht!«
»Sie wussten alles, was ich ihnen unter Druck und Folter gestanden hatte. Es ging ihnen gar nicht um die Informationen. Gut, möglicherweise wollten sie noch eine weitere Bestätigung, aber in erster Linie war es ihr Plan, mich zu brechen. Ihre grausamen Methoden soweit zu treiben, bis ich nur noch ein Wrack war und ihnen alles sagte, was sie hören wollten. Ihre spöttisch grinsenden Fratzen nach meinem Geständnis werde ich nie vergessen.«
Ruckartig drehte sich Karen zu Frank.
»Verstehst du? All die Folter, all die Demütigungen, die ich ertragen hatte: Sie waren umsonst gewesen. Die Wahl, meine Freunde zu verraten oder die Torturen auf mich zu nehmen; sie wäre nicht nötig gewesen. Die pure Lust der SS-Männer, ihr Opfer leiden zu sehen, und die Herausforderung, es zu brechen, waren Grund genug gewesen, mich zu quälen.«
Sie war etwas lauter geworden und der Messner drehte sich zu den beiden um und bedachte sie mit einem strengen Blick.
Etwas bedächtiger fuhr Karen fort: »Als ich am nächsten Tag zum Verhör gebracht wurde, begegneten mir die beiden SS-Männer mit einer ausgewählten Freundlichkeit. Hätte ich sie bei einer Tanzveranstaltung und in zivil kennen gelernt, ich hätte sie vermutlich als außerordentlich adrett und angenehm empfunden. Unter diesen Vorzeichen wirkte es besonders verächtlich und zeigte mir aufs Neue, dass ich nur ihr Spielzeug gewesen war. Ein Spielzeug, das nun uninteressant für sie geworden war. Obwohl die Schrift für mich verkehrt herum zu lesen war, erkannte ich das Wort, das dort auf dem Dokument auf dem Schreibtisch des Offiziers prangte: Sachsenhausen. Ich sollte das Tageslicht wieder sehen, sagte der Offizier, als Belohnung, da ich so gesprächig gewesen war; es gäbe eine Vielzahl an Leibesertüchtigungen, dort in Sachsenhausen, und die Möglichkeit zur Arbeit an der frischen Luft; das würde mir sicher gut tun, nach all der Zeit in der kalten, klammen Zelle hier. Wieder zeigte er dieses höhnische Grinsen.
Mir war inzwischen alles egal. Und ich ließ es geschehen. Sie führten mich in Hand- und Fußfesseln in eine Art Tiefgarage, in der ich in ein geschlossenes Panzerfahrzeug getrieben wurde. Im Innern ketteten sie mich an eine dafür vorgesehene Stange und ein mir unbekannter junger Mann in SS-Uniform nahm neben mir Platz. Der Wagen wurde von außen verschlossen. Wäre meine Lethargie nicht gewesen, ich wäre sicher stolz darauf gewesen, welche Mühe sie sich mit mir noch machten. An Flucht dachte ich zu keinem Zeitpunkt mehr. Als sich nach etwa dreistündiger Fahrt die Türen des Panzerfahrzeugs wieder öffneten, strömte Tageslicht ins Innere. Losgekettet und nach draußen geführt, sah ich zum ersten Mal nach einem halben Jahr die Sonne wieder. Dennoch fror ich, es war Herbst. Und dann sah ich auch die Baracken, grau in grau, in Reih und Glied, bis in weiter Ferne, als nähmen sie nie ein Ende. Mir wurde schwindlig.
Der Herbstwind trug sterbende Blätter mit sich, blies sie nach oben, ließ sie wieder hinab zu Boden gleiten oder ignorierte sie einfach, wenn sie in einer Ecke liegen blieben. Ich spürte den Tod, der hier, gleich der Willkür des Windes, seit vielen Jahrzehnten, unablässig neues Leben erhielt. Auch das meine war ihm bereits versprochen. Nur eine Frage der Zeit. Dann wurde ich ohnmächtig.
Als ich wieder zu mir kam, zogen mir gerade ein Daumen und ein Zeigefinger mein Augenlid auf, um mir mit einer Stablampe ins Auge leuchten zu können. Instinktiv wollte ich mit der Rechten nach der fremden Hand greifen, doch meine Handgelenke waren fixiert. Ich lag da, auf ein Bett geschnallt. Auch mein Kopf war mit einer Klammer um Stirn und Hals in einer Position fest gehalten, dass ich ihn nicht mehr bewegen konnte.
Das Gesicht eines Mannes und das einer Frau erschienen vor mir. Ein Arzt und eine Arzthelferin. Sie bemerkten, dass ich wach war und spritzten mir etwas in die Armbeuge. Die Erinnerung an das folgende ist verschwommen. Sie nahmen mir Blut ab, vermaßen meinen Schädel, betasteten meine Brüste und meinen restlichen Oberkörper; sie lockerten die Fesselung meiner

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