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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Nathanael!«
    Nathanael gefiel das Kompliment.

    *

    Anton Galba hatte lange nicht mehr gebastelt. Jahre nicht. Früher war das ein schönes Hobby gewesen; im hinteren Teil des Kellers stand noch die Modelleisenbahn, mehrere Quadratmeter groß, so geschickt konstruiert, dass man sie in Teile zerlegen und diese hochkant verstauen konnte – so stand sie auch an der Rückwand, brauchte kaum Platz. Aber eben: Hervorgeholt hatte Anton Galba diese Anlage nicht mehr, seit die Töchter ihr – man konnte es kaum Desinteresse nennen, eher »unüberwindliche Abneigung« – mit einer Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hatten, die keinen Interpretationsspielraum zuließ.
    Durch die Aufbewahrung der Eisenbahn an der Rückwand gab es davor Platz für einen Bastelraum, einen Arbeitstisch und diverse Wandschränke mit vielen kleinen Schubladen. Hilde hatte an der Eisenbahn ebenso wenig Interesse wie ihre Töchter, mehr noch: Er war sich durchaus im Klaren, dass seine Damen die Beschäftigung eines erwachsenen Mannes mit einer Spielzeugeisenbahn für peinlich hielten. Im Lauf der Zeit hatte er selber die Lust an der Anlage verloren und sich auf elektronische Basteleien verlegt, zum Beispiel Bewegungsmelder, die einige starke Lampen im Garten steuerten; auch die Steuerung der Heizung hatte er selber entworfen und gebaut; sie war mit ihren Temperatursensoren und der Zeitsteuerung deutlich besser und bequemer als jedes käuflich zu erwerbende System. Gewürdigt wurde das von den anderen Mitgliedern des Galba’schen Haushalts allerdings nicht. Diemieden den hinteren Kellerraum, es wurde akzeptiert, dass er sich dort einschloss, »um nicht bei komplizierten Lötarbeiten gestört zu werden« – so hatte er die Maßnahme begründet.
    Nie war eine der Damen auf die Idee gekommen, ihn in seinem Refugium zu stören; wenn Hilde etwas Wichtiges mitzuteilen hatte, rief sie ihn auf dem Handy an. Für sie waren seine elektronischen Basteleien kaum brauchbarer als die Modelleisenbahn; das wusste er, aber sie bemühte sich, der Tatsache, dass man nun die Pelletsheizung per Mobiltelefon Stunden vor dem Heimkommen aus der Ferne einschalten konnte, angemessene Bewunderung zu zollen. Das gelang ihr nicht gut, er ließ den Versuch aber gelten.
    Hilde verstand zwar nichts von Elektronik, hätte aber doch, wenn sie an diesem Dezembernachmittag den Bastelraum betreten hätte, mit einem Blick erfasst, dass die Vorgänge darin nicht mit Chips, Drähten und Lötkolben zu tun hatten. Auf dem Arbeitstisch stand ein voluminöser Blumenübertopf aus rotem Styropor, darüber war an einem Gestänge senkrecht eine Handbohrmaschine angebracht, von der eine dünne gläserne Stange nach unten lief und im Topf verschwand. Die Stange drehte sich. Beim Nähertreten wäre ihr weiteres Unelektronisches aufgefallen: Die Stange lief durch einen Spezialstopfen in ein kugelförmiges Glasgefäß mit drei Hälsen an der Oberseite. Durch den mittleren Hals ragte der sich drehende Glasstab, im linken Hals steckte ein langes Thermometer, im rechten ein rohrartiger Aufsatz mit einer klaren Flüssigkeit. Die tropfte durch einen Hahn in die untere Glaskugel, die auch mit einer Flüssigkeit zur Hälfte gefüllt war. Man konnte das nicht gut sehen, weil im Raum zwischen Glaskugel und Blumentopf Schneematsch stand. Neben der Apparatur ein weiterer Styroportopf mit frischem Schnee. Schnee gab esnämlich genug in diesem Dezember, es hatte die ganze Nacht geschneit, am Morgen lagen frische dreißig Zentimeter – erst dieser Anblick hatte Anton Galba jenen Plan fassen lassen, den er nun durchführte. Er stand vor dem Aufbau, den Blick aufs Thermometer geheftet. Der Rührer wirbelte die Mischung im Inneren des Kolbens rundherum und bewirkte eine innige Durchmischung der beiden Flüssigkeiten, die miteinander reagierten und dabei so viel Wärme erzeugten, dass er den Dreihalskolben mit Schneewasser kühlen musste. Wenn im Kältebad zu viel Wasser entstand, schöpfte er es mit einer Kelle aus dem Styroporgefäß und ersetzte es durch frischen Schnee. Es kam darauf an, dass die Reaktion gleichmäßig ablief, nicht zu wenig aus dem Trichter zutropfte und nicht zu viel; dass die Wärme zuverlässig abgeführt wurde, dazu brauchte es Kühlung, die in einem professionellen Labor von der Eismaschine bereitgestellt wurde. »Wir Amateure aber«, sagte Anton Galba, »loben den Winter, der uns ein Kältemittel vom Himmel fallen lässt. Auch wenn die Zwecke, wofür wir es gebrauchen, nicht den Beifall

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