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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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verrückten Anhang. Ludwig Stadler würde weiterhin seinen Geschäften nachgehen, der Baukrise trotzen und seine Frau betrügen, sehr bedauerlich, aber so ist das Leben. Gerhard Hopfner würde weiterhin seine Frau malträtieren, das war nicht schön, aber warum ging die dumme Gans nicht in ein Frauenhaus? Warum zeigte sie ihn nicht an? Das wäre die richtige Art und Weise, mit Hopfner fertigzuwerden. Und dann der Mann im Paket … und dann noch jemand …
    Und alles nur, weil Mathis, der verkappte Nazi, sich eingebildet hatte, seinem Chef eine Falle stellen zu müssen. Nicht etwa, weil er sich selber Hoffnungen auf Helga machte; so dumm war er nicht, er hatte gewusst, dass es da nicht die kleinste Chance gab – aber es störte ihn, weil der Chef Galba hieß, ein slawischer Name, angeblich. Eine Intrige aus rassischen Gründen, das musste man sich einmal vorstellen! Die waren verrückt, alle miteinander, Mathis, Weiß als Oberanführer, nicht zu vergessen die unbekannte Frau – alle in seinem Dunstkreis … Angefangen hatte es mit Mathis. Und wer hatte den Mathis eingestellt? Na, er selber! Er selber.
    Anton Galba schwankte, er musste sich am Leiterholm des Hochsitzes festhalten, bis das Schwindelgefühl abklang. Es musste aufhören, ein für alle Mal! Genau hier, wo es angefangen hatte.
    Er wählte die Nummer. Jemand hob ab. Nicht Weiß selber. Darauf war Anton Galba vorbereitet. Er behauptete, Franz-Karl Fässler zu sein (den Namen hatte er aus dem Telefonbuch) und Chefinspektor Weiß sprechen zu wollen.
    Chefinspektor Weiß sei nicht zu sprechen, sagte der Jemand. »Urlaubsbedingt«.
    »Ach so …«, sagte Anton Galba.
    »Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen«, sagte der polizeiliche Jemand, »worum geht es denn?«
    »Ach nichts«, sagte Anton Galba, »nicht so wichtig.« Er unterbrach die Verbindung.
    Zuerst kamen die Selbstvorwürfe, dann kam die Panik. »Ich bin ein wirklicher und wahrhaftiger Idiot«, sagte er laut in die Winterstille des Waldes hinein. »Einer mit Zertifikat!« Jetzt hatte er Zeit gehabt noch und noch; niemand hatte ihn zum Handeln gezwungen – und ohne jeden Termindruck war ihm nicht eingefallen, dass der vermaledeite Weiß in Urlaub gefahrensein könnte, wie auch, nicht wahr, Urlaub im Dezember, wer macht denn so was, ganz und gar unüblich! Er fing an zu lachen. Der Begriff Urlaub in Verbindung mit Weiß zog erst in sein Bewusstsein ein, als der Jemand am Telefon davon sprach; und es wäre mir, dachte Anton Galba, diese kleine Schwierigkeit in hundert Jahren nicht eingefallen, warum? Eben, weil ich ein Idiot bin … Das hatten wir schon. Die Panik kam mit dem nächsten Gedanken, für dessen Fassung er keine fünf Sekunden brauchte: Wenn Weiß im Urlaub war, wer hatte dann die Flasche ins Haus genommen? Wer wohnte da? Ein Verwandter, dem Nathanael Weiß das Haus überlassen hatte. Ja, das konnte sein. Hatte Weiß Verwandte? Wahrscheinlich schon. Keine Geschwister, Nathanael war ein Einzelkind gewesen, daran erinnerte sich Anton Galba noch von der Schule her. Cousins, Cousinen? Darüber wusste Galba nichts, seine Unterhaltungen mit Weiß hatten sich in den letzten Monaten um ganz andere Dinge gedreht. Wenn nun ein Unterstandsloser die Flasche geraubt hatte? Oder ein Nachbar? Nicht gestohlen, nur zur Aufbewahrung an sich genommen, damit sie nicht wegkommt , weil der Nachbar wusste, wann Chefinspektor Weiß in den Urlaub fährt – im Gegensatz zu dem volltrotteligen Möchtegern-Attentäter Galba, dem jetzt, wenn auch zu spät, so immerhin doch auffiel, was das für ein merkwürdiger Plan gewesen war: Stell die bewusste Flasche einfach vor die Tür, das Opfer wird sie dann schon reinnehmen. Weil ihm ums Verrecken keine andere Methode eingefallen war, das Ding in das bewusste Haus zu bugsieren. Im Nikolauskostüm. Etwas anderes war ihm nicht eingefallen. Nur gut, dass Dezember war – was hätte er im Sommer gemacht? Die Flasche als Bademeister ausgeliefert?
    Er umklammerte die Holme der Holzleiter mit beiden Fäusten und presste die Stirn an eine Sprosse. Er war unfähigin einem Maße, das er nicht für möglich gehalten hätte. Er zwang sich, stillzuhalten, sonst hätte er sich vor brennender Wut den Kopf an der Sprosse blutig gehauen. Er atmete tief durch. Er musste jetzt nachdenken. Er musste das sich anbahnende Desaster vermeiden.
    Herauszufinden, wo sich die Flasche jetzt aufhielt, war einfach. Er musste nur kreuz und quer in der Stadt herumfahren und alle paar Sekunden auf den Knopf

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