Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
Vom Netzwerk:
anderer Jemand) gesteckt hatte zum Beispiel. Gesprächsweise. Dass da ein Nikolaus, keiner weiß, wer es war, in der Beethovenstraße Wermutflaschen verteilt hatte. Wie der denn gewesen sei, der Wermut, könnte dieser Mensch fragen, und Weiß würde antworten. »Davon weiß ich gar nichts, muss gleich den Hämmerle anrufen, der mir aufs Haus schaut, wenn ich nicht da bin.« Der angerufen habende Jemand würde dann wissen, wo sich die für Nummer 20 bestimmte Flasche aufhielt. Und dann? Dann war weiter nichts zu tun. Denn Weiß würde seinen Nachbarn Hämmerle anrufen und sich nach der Flasche erkundigen, und Hämmerle würde bestätigen, sie gesichert zu haben. Und wenn der Chefinspektoraus dem Urlaub zurück wäre, würde er ihm die Flasche aushändigen. Dann wäre sie endlich, wo sie hingehörte, im Haus von Weiß. Daraufhin würde Weiß seinen gewohnten Tageslauf aufnehmen, bei seiner Adele in der Stadler’schen Villa wohnen, zur Inspektion Dornbirn zur Arbeit gehen und ab und zu Leute verschwinden lassen … Aber damit würde er sicher aufhören, wenn die Flasche, die in seinem leeren Haus stand, per Knopfdruck ihrer Bestimmung zugeführt worden wäre. – Anton Galba malte sich alles in den buntesten Farben aus. Um den wünschenswerten Ablauf dieser Ereignisse zu starten, brauchte er nur den Nathanael Weiß anzurufen. Unter dem Vorwand, neuer … Wie war das gleich … neuer DNA-Analyse-Methoden, mit denen auch sehr alte Spuren zugeordnet werden könnten, und dass er sich deswegen Sorgen mache und ihn, Nathanael, sprechen müsse. Galba hatte vor ein paar Wochen einen Artikel ähnlichen Inhalts im Internet gelesen. Weiß würde unter geheimen Verwünschungen einwilligen und seinem Schulfreund Galba trotz währenden Urlaubs persönlich die DNA-Ängste ausreden. Danach würden sie ein bisschen plaudern, wobei Galba diese herzige Sache mit dem Nikolaus von der Beethovenstraße erzählen würde, von der er … Moment … auf einem Spaziergang von einer Frau gehört hatte, die ihren Hund ausführte. Dann würde Weiß anrufen und so weiter.
    Anton Galba reckte sich im Bürostuhl. Vielleicht war sein Plan doch nicht so schlecht. Es hatte eine Abweichung gegeben, eine sehr kleine allerdings, die zu einer unbedeutenden Verschiebung im zeitlichen Ablauf führen würde. Damit konnte er leben. Er musste nur Nathanael Weiß anrufen und den Angsthasen mimen. Das fiel ihm leicht.

    *

    Die Freigräfin nahm gleich ab.
    »Wie geht’s?«, fragte sie.
    »Es ist langweilig.«
    »Das kann ich mir vorstellen …«
    »Nein, kannst du nicht! Glaub mir, ich hab viele Observationen gemacht, tagelang zum Teil, aber das ist etwas anderes. Ich sitze im eigenen Haus und warte. Und ich halt es kaum noch aus.«
    »Hast du nichts zu lesen mit?«
    »Doch. Abendland von Michael Köhlmeier. Aber ich kann mich nicht konzentrieren.«
    »Sei mir nicht böse, aber ich hab dir gesagt, das wird nicht einfach! Dieser Kranz ist ein Zauderer, ein Feigling. Der macht so was nicht einfach so …«
    »Verflucht noch mal, er weiß, dass ich in Urlaub bin, in der Bude brennt seit fünf Nächten kein Licht, was soll ich denn sonst machen; ein Schild aufhängen: Einbrecher bitte zur Hintertür ?«
    Sie lachte.
    »Reg dich ab. Es kann doch auch sein, dass du dich irrst.«
    »Wie meinst du das?«
    »Dass er loyal ist. Dass er gar nicht daran denkt, sich deine Unterlagen zu verschaffen …«
    »Ich habe gewusst, dass du das sagen würdest. Du hast einen Narren an ihm gefressen …«
    »Keine Spur!«
    »Wie auch immer. Es könnte sein, da hast du recht. Meine Menschenkenntnis sagt mir was anderes, aber es könnte sein. Ich bin nicht unfehlbar.«
    »Nein?! Mach keine Witze!«
    »Warum sag ich Trottel auch was von zwei Wochen! Eine hätte doch genügt …«
    »Auch nach zwei Wochen kannst du dir nicht sicher sein, auch nicht nach vier. Ich hab das Ganze von Anfang an für keine berauschende Idee gehalten …«
    »Ja, ja, ja! Du hast recht, Herrgott noch mal! Ich weiß nur nicht, was ich jetzt noch machen soll. Ich hätte ihn für entschlussfreudiger gehalten …«
    »Was der gute Ingomar braucht, ist ein Stimulus.«
    »Wie meinst du das?«
    »Stimulus hieß bei den Römern der Stachelstock, mit dem die Ochsen angetrieben wurden …«
    »Ein Lob der klassischen Bildung! Ich verstehe: Man muss ihn stechen, nicht nur ein bisschen pieksen … Also muss ein Agent provocateur her …«
    »Soll ich das machen?«
    »Wo denkst du hin! Bei dir wird er misstrauisch. Nein, wir

Weitere Kostenlose Bücher