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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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schärfer.«
    »Es sind dieselben Bilder … oder sagt man da jetzt die gleichen . Ich hab das schon in der Schule immer durcheinandergebracht, du erinnerst dich sicher …«
    Galba erinnerte sich nicht an eine diesbezügliche Grammatikschwäche des Mitschülers Weiß, aufgrund seiner angeborenen Intelligenz, die ihn den Titel eines Diplomingenieurs hatte erwerben lassen, wurde ihm aber Verschiedenes auf einen Schlag klar.
    »Das ist eben das Problem«, sagte er, »ob es dieselben sind oder die gleichen …«
    »Wie meinst du? Philosophisch? Das ist mir zu hoch, fürchte ich, praktisch bist du aus dem Schneider.«
    »Da bin ich aber froh!«
    »Hör ich da einen ironischen Unterton?«
    »Ich möchte dir einen Gefallen tun!«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Nenn es eine Eingebung. Hatte ich plötzlich. Als Entschädigung für deine Mühen.«
    »Die waren bescheiden …« Weiß verstummte. Bescheiden, dachte Galba. Das glaub ich gern. Große Mühe kann das nicht gemacht haben, die Fotos durch ein Bildbearbeitungsprogramm laufen zu lassen. Und die ohnehin bescheidene Schärfe noch weiter zu reduzieren. Aber nicht ohne vorher die Originale zu sichern. Auf einem Chip zum Beispiel. Dieses Original konnte man jederzeit wieder hervorholen und neuerlich wem auch immer präsentieren. Helga Sieber, den anderen Mitarbeitern, Ing. Galbas Frau … wenn dieser, Ing. Galba nämlich, nicht das tat, was von ihm erwartet wurde. Aber was war das?
    »Was soll ich jetzt tun?«, fragte er.
    »Nichts«, sagte Weiß. »Du tust gar nichts. Vor allem redest du nicht über Mathis, nicht über sein Verschwinden, über nichts, was mit ihm zu tun hat. Egal, wer fragt. Wenn die Presse kommt, verweist du die Leute an mich. Okay?«
    »Alles klar. Und sonst?«
    »Du machst mit mir einen abschließenden Rundgang underklärst mir alles!« Weiß stand auf, nahm einen Schlüsselbund vom Brett. »Das sind doch die Reserveschlüssel, oder? Ich möchte selber einmal alles auf- und zuschließen … bei so einer großen Anlage …«
    »Schließ nur«, sagte Galba, der seinen Schlüssel immer bei sich trug.
    Der Rundgang dauerte dann doch fast eine Stunde, Galba erklärte, Weiß stellte Zwischenfragen. Er war wirklich interessiert. Am Schluss verabschiedeten sie sich mit jener gemessenen Herzlichkeit, die ehemaligen Schulkameraden wohl ansteht, dann ging jeder seiner Wege. Galbas Weg führte ihn zurück ins Büro, wo ihm einfiel, dass Weiß vergessen hatte, den Schlüsselbund zurückzugeben. Als er zum Telefon griff, ließ ihn etwas zögern; ein dumpfes Gefühl, wie die Ahnung vor etwas Unangenehmem, ein gesellschaftlicher Kontakt, den man lieber abbrechen als fortsetzen sollte, ein Anruf, den man gern auf morgen verschiebt. Und dann auf übermorgen. Zwei Tage später gegen vier rief Weiß an, entschuldigte sich wegen der Schlüssel, ein Beamter brachte sie eine Stunde später zurück. Über Mathis sprach der Chefinspektor nicht. Sie unterhielten sich noch über die Aussichten des FC Dornbirn in der Landesliga. Nach diesem Gespräch begann Galba sich zu beruhigen. Sein Optimismus kehrte zurück. Er war nicht mehr gezwungen, ihn seinen Leuten vorzuspielen. Er hegte die Hoffnung, unbeschadet aus der Sache rauszukommen. Es verging ein Tag nach dem anderen, an keinem dieser Tage hörte er etwas von Nathanael Weiß, und jeden Tag wurde die Hoffnung ein Stückchen stärker. Nach zwei Wochen kam ihm der Gedanke, das könnte es gewesen sein: Die Sache war vorbei. Aber das war ein Irrtum. Die Sache fing erst an.

    *

    Anton Galba besuchte oft die Bäckerei Spiegel am Marktplatz. An schönen Tagen konnte man dort im Freien sitzen, Tische und Sonnenschirme waren aufgestellt, es wurde bedient, denn die Familie Spiegel unterhielt auch einen Kaffeehausbetrieb, berühmt für die Kuchen und Torten von bodenständiger Solidität, eben vom »Bäck«, nicht vom Konditor.
    Galba ging am Samstagvormittag dorthin, nachdem er die Einkäufe am Markt erledigt hatte, Hilde zog es nicht auf den Markt, man traf dort alle möglichen Leute, mit denen man dann redete, reden musste, dazu gehörten viele, die Hilde nicht treffen wollte. Das hing mit Hildes kompliziertem Charakter zusammen. Sie neigte dazu, hinter harmlosen Bemerkungen finstere Bedeutungen zu vermuten und tagelang darüber nachzusinnen. Aber sie musste ja nicht gehen, Anton Galba hatte einen ausführlichen Einkaufszettel und kannte alle Stände, er war instruiert, bei welchem Bauer er was zu kaufen hatte. Im Gegensatz zu seiner

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