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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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dich nicht so an – brauchst du eine Zeichnung oder was?«
    »Ich komm, ehrlich gesagt, überhaupt nicht mit …«
    Das entsprach der Wahrheit. Chefinspektor Weiß hob in theatralischer Geste die Arme zum Himmel.
    »Er kommt überhaupt nicht mit, er kommt nicht mit!« Seine Fassungslosigkeit unterstrich er durch übertriebenes Kopfschütteln. »Ich sage dir das jetzt zum letzten Mal, dann ist Schluss: Wenn dich die Sieber identifiziert, hast du massive Probleme!«
    »Warum sollte sie das?«
    »Tja, woher soll ich das wissen? Man kann in die Leute nicht hineinschauen. Du glaubst, wenn du es nicht warst, hast du nichts zu befürchten. Das stimmt – aber leider nur grosso modo. Ich sage dir das aus beruflicher Erfahrung. Manchmal gibt es Aussagen, die man sich nicht vorstellen würde … Manchmal wollen einem Leute schaden, verstehst du, Leute, von denen man das in hundert Jahren nicht gedacht hätte. Kleine Zurücksetzungen, die nie angesprochen wurden und sich zu Riesenbeleidigungen blähen …«
    »Dann müsste ich aber mit ihr reden …«
    »Ich kann dazu nichts sagen und dich natürlich auch nicht hindern, zu reden, mit wem immer du willst.« Fünfzig Meter vor ihnen endet der Weg an einem eingezäunten Stück Wald.
    »Schau, ein Zaun!«, rief Nathanael Weiß begeistert aus. Galba war verwundert.
    »Ja und?«
    »Ein Haufen Draht ist das«, sagte Weiß. »Und Pfähle. Lauter Pfähle.« Er lächelte Galba von der Seite zu.
    Erst jetzt, dachte Ing. Galba, habe auch ich es begriffen.
    Sie kehrten um und sprachen nichts mehr miteinander. Kein einziges Wort. Kurz vor Dienstschluss bat er Helga ins Büro. Helga war sehr vernünftig. Sie sah ein, dass seine Karriere auf dem Spiel stand, wenn er verdächtigt würde, am Verschwinden von Roland Mathis beteiligt zu sein. Mit ihrer Beziehung wäre es dann auch vorbei. Und sie sah ein, dass dieser Verdacht sofort aufkeimen würde, wenn sie die Übereinstimmung eines bestimmten nackten Mannes auf einem grünlichen, unscharfen Foto mit ihm, Galba, auch nur ansatzweise in Erwägung ziehen würde. Wenn sie also ihn, Galba, vernichten wolle, weil sie einen verborgenen Groll gegen ihn hege, dann sei jetzt die Gelegenheit, bitte, nur zu … Sie brach ohne Vorwarnung in Tränen aus, rannte um den Schreibtisch herum, umarmte ihn, stammelte, wie er nur so furchtbare Sachen sagen könne, was eine so unmittelbare Gemütsbewegung bei ihm auslöste, dass er seinerseits in Tränen ausbrach (das überraschte ihn selbst) und ihr versicherte, er habe das nur gesagt, weil er so verzweifelt sei; Mathis, dieser Trottel, habe ihn durch sein Verschwinden in die misslichste Lage gebracht, es gehe praktisch um seinen Kopf, obwohl er gar nichts dafürkönne; wenn Nathanael Weiß erstens nicht so ein guter Mensch und zweitens nicht mit ihm in die Schule gegangen wäre – dann säße er schon in Untersuchungshaft.
    Helga beruhigte sich und sah das alles ein. Die hochgepeitschten Emotionen drängten sie aber zu einer Erlösung, die nur auf eine einzige Art erfolgen konnte. Also taten sie, was sie bisher noch nie getan hatten, zogen die Vorhänge zu, schlossen die Bürotür ab und ließen den Dingen ihren Lauf.
    Am nächsten Tag besuchte Chefinspektor Weiß die Laborantin Helga Sieber an ihrem Arbeitsplatz und erfuhr während einer etwas heiklen Phosphorbestimmung, als sie einen flüchtigen Blick auf die eineinhalb abgebildeten Personen geworfen hatte, dass sie niemanden darauf erkenne. Auf die nächste Frage, die er »leider stellen müsse, reine Routine, Vorschrift halt«, antwortete sie mit entrüstetem Unterton, nein, sie sei auch nicht die halb sichtbare Person, worauf sie noch hinzufügte, das hätte sie dem Mathis nie zugetraut, dass er solche schweinischen Fotos mache.
    Die übrige Belegschaft schloss sich nach Konfrontation mit den ominösen Bildern dieser Einschätzung der Kollegin Sieber an – was den verschwundenen Kollegen Mathis betraf. Mit diesen Ergebnissen begab sich Chefinspektor Weiß zum bisherigen Hauptverdächtigen ins Büro und legte ihm die Fotos auf den Tisch. »Niemand hat irgendwen erkannt«, sagte er.
    Galba sah sie sich an, blickte auf: »Das glaube ich, die sind ja total unscharf!«
    »Was? Unscharf?« Weiß nahm die Bilder in die Hand, hielt sie sich dicht vor die Augen, dann weiter weg.
    »Die Schärfe lässt schon zu wünschen übrig, du hast recht, aber direkt unscharf würd’ ich jetzt …«
    »… Die Bilder, die du mir oben auf dem Turm gezeigt hast, waren viel

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