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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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wissen musste.

    *

    »Das ist alles kein Zufall«, sagte Nathanael Weiß. »Die Sache mit diesem … Wie hieß er noch?«
    »Mathis …«
    »Genau, Mathis … Namen sind Schall und Rauch, das stimmt wirklich … Ich meine, alle Ereignisse führen doch geradewegs auf diesen Punkt zu, wo wir sagen müssen: Etwas Großes steht uns bevor, etwas viel Größeres, als wir uns jemals vorstellen konnten! Ich bin kein Redner, aber du verstehst, was ich meine?«
    »Ja und nein …«
    »Soll heißen?«
    »Ja, du bist kein Redner, und nein, ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.«
    Weiß brummte etwas vor sich hin, war aber nicht beleidigt, das konnte er spüren; Weiß dachte nur über bessere Formulierungen nach. Sie gingen nebeneinander her durch denAuwald, weitab belebter Pfade, quer durchs Gebüsch, dann wieder über freie Riedflächen. Fast eine Stunde waren sie schon unterwegs, um »Vögel zu beobachten«. Weiß hatte ein Fernglas dabei, das er ab und zu auf den Horizont richtete. Vögel hatten sie keine gesehen, nur Rehe in der Ferne. Weiß hatte den Ausflug vorgeschlagen, an diesem Samstagnachmittag, gleich der erste Tag nach Galbas Rückkehr aus der Kur. Weiß hatte auf ihn gewartet, klar, er wollte … Was wollte er eigentlich? Galba wurde aus seinem Schulkameraden nicht recht schlau. Bis jetzt hatte er ihn mit dem traurigen Schicksal einer gewissen Frau Hopfner angeödet, die den schlimmen häuslichen Verhältnissen, unter denen sie zu leben gezwungen gewesen, wohl für immer entkommen war. Nur ihre Leiche hatte man noch nicht gefunden … Galbas Gedanken schweiften ab, während er sich bemühte, in dem, was Nathanael Weiß ihm erzählte, einen Sinn zu entdecken. Was ging ihn diese Frau Hopfner an? Oder, um beim Thema zu bleiben, der dazugehörige, offenbar recht unangenehme Herr Hopfner? Anton Galba war in seinem Denken auf die gemeinsame Vergangenheit ausgerichtet, auf die Fälle Mathis und Stadler; wenn Weiß mit ihm reden wollte, so weitab jeder möglichen Zuhörerschaft, konnte das doch nur bedeuten, dass schwerwiegende Probleme aufgetaucht waren, Zeugen, die sich an seltsame Vorkommnisse erinnerten und sich »damals nichts dabei gedacht hatten«, wie das dann immer hieß; DNS-Spuren an unmöglichen Stellen, die auf eine verquere Weise ihn oder Weiß mit den Toten in Verbindung brachten oder alle beide. Nun wartete er, dass Weiß endlich mit der furchtbaren Wahrheit herausrückte und mitteilte, für wie viele Jahre sie beide ins Gefängnis müssten. Aber nichts dergleichen kam von Weiß, nur die Schilderung der unglücklichen Hopfner’schen Verhältnisse, verursacht vom Haushaltungsvorstand, einem Teufelin Menschengestalt und so weiter … Galbas Verwirrung nahm zu, je weiter sie ins Gebüsch vordrangen. Der Himmel hatte sich bezogen, es herrschte eine dumpfe Schwüle, wie schon so oft in diesem Sommer, von dem alle hofften, er werde in einen erträglichen Herbst münden. Nicht mehr so heiß. Nein, die Hoffnung blieb lebendig; es war jetzt schon nicht mehr so heiß wie noch vor einem Monat …
    Weiß war verstummt. Galba erinnerte sich an die Frage, die ihm Weiß vor geraumer Zeit gestellt hatte. Wie die Kur gewesen sei. Wieso fragte er nicht nach, wenn er keine Antwort bekam?
    »Du lässt dir Zeit mit der Antwort«, sagte Weiß, »dann war es wohl nicht so besonders?«
    »Nein, so besonders war es nicht.«
    »Du hättest allein fahren sollen, nicht mit der Frau.«
    »Warum?«
    »Weg von allem, Konzentration auf dich selbst, verstehst du? Das wäre wie ein Neuanfang …«
    Galba unterdrückte ein Lachen. Der gute Nathanael gab Ratschläge zu einem fehlgeschlagenen Kuraufenthalt, ohne ein einziges Mal gefragt zu haben, was der Grund für die Verschreibung gewesen war. Galba hatte nichts davon erzählt, keinen Ton. Das konnte nur bedeuten, dachte er … Ach was, das wollte er jetzt wissen!
    »Du weißt doch gar nicht, warum ich gefahren bin. Wie kannst du dann behaupten, es wäre ohne meine Frau besser gelaufen?«
    »Wieso du auf Kur warst? Das ist nicht schwer. Aus demselben Grund wie alle. Burn-out. Abgesehen von den Simulanten natürlich. Simulant bist du aber keiner, das weiß ich. Alle, die es echt nötig haben, fahren wegen Burn-out auf Kur. Manchmal nützt es, meistens nicht, leider.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich bin stellvertretender Leiter einer Dienststelle mit achtzig Beamten, schon vergessen? Diese ganzen Anträge gehen über meinen Schreibtisch …«
    »… und du schließt von der Polizei

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