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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Böschung zurücksinken, verschränkte die Arme unter dem Kopf und schaute in den makellosen Sommerhimmel hinauf.
    »Mir zu helfen, schlage ich vor«, sagte Nathanael Weiß.
    »Wobei?«
    »Diesen Hopfner zu beseitigen.«
    Anton Galba antwortete nicht. Am Himmel über ihm war keine Wolke zu sehen. Keine einzige Wolke.

    *

    Natürlich bedauerte Anton Galba diese Frau Hopfner, obwohl er sie nicht kannte. Die Existenz eines Menschen wie Gerhard Hopfner war eine Beleidigung für … für … eigentlich für jeden rechtlich denkenden Menschen, da hatte Weiß recht. Er hatte überhaupt in vielem recht. Man hätte ja sagen können, die Causa Hopfner würde, wenn auch ein schlechtes, so doch ein Ende finden, irgendwann in den nächsten Wochen und Monaten, denn Frau Hopfner war sicher nicht nach Australien ausgewandert, sondern in ein sehr viel entlegeneres Land.
    »Du kannst mir jetzt natürlich mit der Gesellschaft kommen«, sagte Weiß. Er sprach ohne übertriebene Emotion, ohne fanatisches Funkeln in den Augen. Er sprach nicht einmal besonders laut. Als ginge es um die Erörterung verschiedener Heizsysteme bei einem Neubau; für das eine spricht dies, für das andere wiederum jenes … Es war angenehm, ihm zuzuhören.
    »Die Gesellschaft«, sagte Nathanael Weiß, »ist für solche Fälle zuständig, wir haben dafür eigene Institutionen geschaffen. Wir bezahlen diese Leute, damit sie sich um Fälle wie Hopfner kümmern.« Er blickte in die Ferne, als denke er überseine weiteren Worte nach. Konnte auch sein, er dachte über gar nichts nach; es klang nicht nach Plädoyer oder so etwas; es war eine harmlose Plauderei.
    »Diese Institutionen haben aber versagt. In diesem Fall und in anderen Fällen. Glaub mir das, ich weiß es. Ich sage nicht, dass sie immer versagen, davon kann keine Rede sein. Sie tun schon, was sie tun sollen, mehr oder weniger. Es bleiben halt diese Fälle übrig … wie der Fall Hopfner. Und bitte frag jetzt nicht: Warum? Warum haben die grade hier versagt? Dafür gibt es eine Menge Erklärungen, die alle gleich langweilig sind und an den gegebenen Umständen kein Jota ändern! Erklärungen nützen nichts. Nützen tun nur Taten …«
    »Du hast also vor … Ich meine … Du willst das wirklich durchziehen?«
    »Natürlich! Und ich tu das nicht aus Selbstbestätigung oder Sadismus … Sag ehrlich: Glaubst du, ich mach das zur Selbstbestätigung? Oder aus Sadismus?«
    »Zweimal nein.«
    »Na siehst du … Hopfner ist eine Gefahr. Solche Leute hören nicht auf. Nie. Ich weiß es – ich tu … das, weil ich die Menschen liebe. Ja, tatsächlich …« Er hielt einen Augenblick inne, als habe ihn dieser eben gefasste Gedanke selbst überrascht. »Ich liebe doch alle Menschen. Ich bin Humanist.«
    Galba erinnerte sich an die Gymnasialzeit; da waren sie Nachmittage lang an Riedgräben gesessen, hatten in den Himmel geschaut und geredet. Das heißt: Er war damals nie mit Weiß an so einem Graben gewesen, sondern mit seinem Freund Martin. Sie hatten über Gott und die Welt geredet und sich meistens gestritten. Dann, nach der Matura, hatten sie sich aus den Augen verloren, und dann, einige Jahre später, hatte Galba erfahren, dass Martin an Leukämie gestorben war. Mit sechsundzwanzig. Seither ging Anton Galba nicht mehrins Ried, wenn es sich vermeiden ließ. Und bis jetzt hatte es sich vermeiden lassen. Aber eben nur bis jetzt.
    »Dieser Hopfner ist ein Systemfehler, ein Schädling, nenn ihn, wie du willst. Auf den Namen kommt es nicht an. Nenn ihn so, dass du das, was getan werden muss, leichter tun kannst. Denn was wir sagen oder denken, ist ganz unwichtig. Es ist nicht einmal wichtig, was wir getan haben. Nur was wir jetzt tun und tun werden, hat Bedeutung. Weil es das Einzige ist, das Dinge verändert. Das Jetzt und das Morgen. Alles andere ist Philosophie.«
    Nathanael Weiß war verrückt. Auf diese Feststellung lief es hinaus, auf einen schlichten Aussagesatz. Er hätte schon nach einer halben Stunde darauf kommen können, dazu brauchte man nicht zweieinhalb Monate, um das zu merken. Aber er hatte sich aus begreiflichen Gründen täuschen lassen. Wenn der Chefinspektor Weiß auf seiner, Galbas, Seite stand und normal war – dann kam er, Galba, aus der furchtbaren Mathis-Sache heraus; Normalität war eine Voraussetzung für Herauskommen aus Schwierigkeiten gleich welcher Art. Eine notwendige Voraussetzung, wenn auch keine hinreichende.
    »Ich kann das nicht«, sagte er.
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Das heißt

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