Alles Fleisch ist Gras
war die Freundlichkeit in Person.
Hinter seiner glatten Stirn kreisten seine Gedanken alle um Nathanael Weiß. Über seine Frau dachte er dasselbe wie diePolizei und etwa genauso oft, also sehr mäßig; wenn er aber an sie dachte, erfüllte ihn ein so bitteres Gefühl des Verratenwordenseins, dass er sie ohne alle Umstände, wäre sie jetzt zur Tür hereingekommen, totgeschlagen hätte – dass er das verlogene Luder nicht härter angefasst hatte, bedauerte er jeden Tag. Das war überhaupt sein Grundproblem, da kam er natürlich erst jetzt dahinter: Er war zu weich. Er hatte sich zu sehr zurückgehalten, zu wenig Konsequenz gezeigt. Er hatte einfach zu wenig Furcht verbreitet. Kein Mensch, davon war er überzeugt, nahm ihn für voll. Dieses Polizistenarschloch hatte ihm seine Verachtung ja ganz offen gezeigt. Und jetzt wollte ihn der umbringen. Gerhard Hopfner musste nicht lang nachdenken, um dahinterzukommen, von wem die anonyme Warnung stammte. Von einem Kollegen von Arschloch Weiß. Wer konnte davon wissen? Doch nur jemand, vor dem Weiß mit seinen Plänen prahlte, nur dort, im Kollegenkreis, konnte er sich das erlauben. Weil er eben wusste, dass ihn die unter allen Umständen decken würden. Gerhard Hopfner hatte die Polizei schon immer für korrupt gehalten, aber nicht für so korrupt. Wenn die jemanden erschossen, gab es ein großes Trara in der Zeitung, aber die Bevölkerung, das wusste er wie jeder andere, der mit den Leuten redete, dachte ganz anders als die Medien. Noch viel mehr von denen sollten weg , hieß es da – es konnte ja gar nicht ausbleiben, dass die Polizei diese Grundstimmung mitbekam. Und Konsequenzen zog. Wer weiß schon, wie viele Abgängige in Wahrheit von der Polizei selbst … Er wollte darüber nicht nachdenken. Er konnte es nicht einmal missbilligen, wenn er ehrlich zu sich selber war. Aber jetzt hatten sie den Falschen erwischt. So was kommt vor, es waren ja nicht die Hellsten der Nation, die dort unterkamen. Und dieser Weiß – ein typischer Gorilla im Grunde, stark, aber blöd. Wieso hatte der es auf ihn abgesehen? Natürlich,natürlich! Seine liebe Frau, das verhurte Drecksluder … Er packte den Ordner mit der Steuererklärung und schleuderte ihn an die gegenüberliegende Bürowand. Dann atmete er tief durch, manchmal half das, eine Notmaßnahme, wenn er nicht zu Hause war. Niemand kam aus dem Geschäft herauf. Sie hatten es wohl nicht gehört.
Er beruhigte sich, das dauerte. Die Dinge wurden klarer. Die Scheißhure hatte diesen Weiß eingekocht, wie auch nicht, der Kerl war mehr Idiot als Arschloch, Arschloch schon auch – wer sonst würde den Tod eines Menschen planen? Aber eben noch mehr Idiot, eine Viertelstunde, mehr hatte das Luder nicht gebraucht, um ihm diese Idee einzublasen: die Idee von Gerhard Hopfner als Teufel in Menschengestalt. Und jetzt war dieser Hopfner dran. Der arme Tropf.
Aber so würde es nicht laufen.
Je ruhiger Gerhard Hopfner wurde, desto besser ging es ihm. Desto klarer konnte er denken. Der Sachverhalt lag nun vor ihm wie eine Landschaft, über der sich der Nebel gehoben hatte. Er sah bis in große Ferne. Das war alles nicht so schlimm. Er konnte nur nicht auf Hilfe von irgendeiner Seite hoffen. Besonders nicht vonseiten der Polizei. Er konnte froh sein, dass es dort mindestens einen vernünftigen Menschen gab, der noch ein Gespür hatte für das fundamentale Unrecht, das ihm Weiß antun wollte – wenn er, Hopfner, jetzt mit der Warnung zur Polizei lief, brachte er diesen mitfühlenden Menschen in Gefahr, Weiß würde sofort wissen, dass die Warnung nur aus dem engen Kollegenkreis stammen konnte. Von dort war keine Hilfe zu erwarten. Er musste mit dem Problem Weiß selber fertigwerden. Das Gute an der Sache war, dass es nur eine Lösung geben konnte; er musste also keine Zeit mit Überlegungen verschwenden, wie das Ganze wohl ausgehen würde und so weiter; es gab nur zwei mögliche Ausgänge: eroder dieser Weiß. Und das andere Gute daran war, dass der gewünschte Ausgang erreicht werden konnte. Er hatte ja die Mittel dazu.
Gerhard Hopfner war Jäger.
Er war kein Sonntagswaidmann, der von vermögenden Freunden zur Jagd eingeladen wurde. Und dann, wie es vorkam, um vier Uhr früh auf dem Hochsitz wieder einschlief. Er war Jäger mit Leib und Seele und nahm alle daraus erwachsenden Pflichten sehr ernst. Hege, Fütterung, Erfüllung des Abschussplanes und so weiter. Gerhard Hopfner war aufgrund seiner jagdlichen Passion Angriffen von außen nicht
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