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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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ganz schutzlos ausgeliefert: Er besaß eine Simson-Suhl-Doppelflinte, 12 mm; eine Bockbücksflinte von Antonio Zoli, .22 Hornet/12; eine Mauser Repetierbüchse Modell 98, Kaliber 6,5 x 57; eine zweite Repetierbüchse dieses Herstellers, aber Kaliber 7 mm Remington Magnum; eine Kleinkaliber-Matchwaffe, Kaliber .22, und endlich – jetzt besonders wertvoll – einen Rossi-2?-Revolver 2.38. Den nahm er für Fangschüsse.
    Die Waffen lagerte er mit seinen anderen Jagdutensilien in einem verschlossenen Stahlschrank im Keller. Der Gedanke an sie beruhigte ihn, andererseits würden sie ihm dort unten hinter Blech von vorschriftsmäßiger Stärke nichts nützen. Er ging hinunter und trug die Waffen in den Wohnbereich hinauf, dazu Munition. Das war illegal, aber es war auch illegal, andere Leute umzubringen, oder? Er breitete die Gewehre auf dem Küchentisch aus, alle schön nebeneinander. Wie im Fernsehen, wenn sie wieder einmal einen dieser Sammler ausgehoben hatten; Kriegswaffen, um Gottes willen! Welche Gefahr da von der Gesellschaft abgewendet worden war! Weil diese Leute mit ihren Karabinern, Baujahr 1943, entsetzliche Verbrechen begehen würden … Die rumänischen Einbrecherbanden waren unbewaffnet, da las man nichts von Schießeisen,die hatten nur gestohlene Lastwagen und Ketten und rissen ganze Geldautomaten aus der Verankerung. Und die Diebe verwendeten einfach ihre Stiefel als Waffen und traten die Pensionisten tot, nachdem sie ihnen zweiundzwanzig Euro fünfzig geraubt hatten. Nicht zu reden von den jugendlichen Randalierern, die alte Leute ohne allen Grund halb oder ganz totschlugen – nie war dort von einer Schusswaffe die Rede. Und immer alte Leute, natürlich, diese jungen Verbrecher waren feige und wurden von einer durch und durch feigen Gesellschaft dann noch gehätschelt … Was machten sie mit denen alles? Er hatte das im Fernsehen verfolgt: Abenteuerurlaub auf hoher See oder in der amerikanischen Prärie, auf Kosten des Steuerzahlers natürlich. Dabei war die sofortige physische Eliminierung, die völlige Vernichtung dieser Schädlinge doch die einzig gerechtfertigte Maßnahme …
    Der Schweiß brach ihm aus, er begann zu zittern. Vor Wut. Er durfte nicht an diese Dinge denken, wenn er es tat, brachte er sie lang nicht mehr aus dem Kopf, und alles versank in einem rötlichen Nebel. Das durfte nicht sein, er hatte jetzt andere Probleme, er musste sich konzentrieren auf diesen Weiß und was der vorhaben konnte … Und vergessen hatte er auch etwas. Im Keller. Er ging wieder hinunter. Vielleicht würde es ihm einfallen, wenn er es vor sich sah. Er öffnete alle Schränke. Der Keller war zu voll, stimmte schon, er hätte schon vor Jahren ausmisten sollen.
    Ganz hinten im kleinen Schrank fand er die Flasche. Zirbengeist. Danach hatte er nicht gesucht. Er nahm sie heraus, schraubte den Verschluss ab. Nichts Besonderes. Mittlere Qualität. Er nahm einen Schluck, einen kleinen. Überlegte, wo der Zirbengeist herkam, er konnte sich nicht erinnern, diese Flasche gekauft zu haben. Ein Geschenk? Musste ein Geschenk sein. Klaus Gruber wahrscheinlich, sah ihm ähnlich, einenIndustrieschnaps zu verschenken, seien wir ehrlich, dieses Zirbenaroma kam doch aus einer Chemiefabrik. Er nahm noch einen Schluck, einen größeren diesmal, schüttelte sich. Kein Zweifel, Chemie. Dass denen das nicht auffiel, dieser Putzmittelgeschmack im Abgang …
    Er nahm die Flasche mit nach oben. Das Zeug konnte man sowieso nur noch wegschütten.
    Gleichzeitig spürte er, wie sich eine große Ruhe in seinem Körper ausbreitete. Alles wurde klar und scharf. Er erkannte, dass er bis jetzt von einem falschen Punkt aus gedacht hatte. Von der Logik der Verteidigung aus. Seine Waffen hatten ihn auf diese Schiene gezogen und das halbherzige, ängstlich-nervöse Herumwuseln; das war falsch und führte nirgendwo hin. Damit überließ er dem verrückten Weiß die Kontrolle, beschränkte sich darauf, im Haus zu sitzen und auf den Angriff zu warten. Der konnte heute erfolgen oder in einer Woche, in einem Monat. Vielleicht aber schon in zehn Minuten. Das Warten würde ihn zermürben. Weiß konnte sich den Zeitpunkt aussuchen; der konnte sogar, fiel ihm ein, den Zeitpunkt so lang hinausschieben, bis alle Wachsamkeit erloschen war, ein halbes Jahr oder ein ganzes. Er selber würde nicht imstande sein, die Spannung so lang aufrechtzuerhalten, und dann, wenn er schon die Überzeugung gewonnen haben würde, dass es sich der verrückte Polizist doch anders

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