Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
Sie kuratieren Ausstellungen andererKünstler, unterrichten an der Kunsthochschule oder arbeiten als Producer beim Fernsehen. Und obwohl das schon alles kreativ
genug ist, nutzen Künstlerpaare wie Ásdís und Ragnar selbst ihre Freizeit für kulturelle Events – so schätzen sie auch das
»Aldrei fór ég suður«-Festival. Ragnar trat dort natürlich ebenfalls schon mit seiner Band Trabant auf, und seine Frau veranstaltete
im Schwimmbecken des Dorfbades eine Performance. Denn jedes Jahr findet nach den zwei Festivaltagen eine Art Aftershow-Tag
für die Musiker statt. Auch am Ostersonntag 2010 fing die Nachfeier wieder im Schwimmbad an. Im kleinen Hallenbad von Þingeyri,
einem Ort vierzig Minuten von Ísafjörður entfernt, trafen sich die Aldrei-Künstler zu einem privaten Fest, um nach diesem
aufregenden Wochenende gemeinsam zu relaxen. Mugison beschallt das Bad mit lauten Beats aus seiner Höllenmaschine, einer Art
Keyboard, die Künstler performen dazu im Wasser: Sie recken und strecken sich, springen aus dem Pool nach draußen in den Schnee,
wälzen sich darin und hüpfen zurück ins Schwimmbecken.
Das Nachfest in Þingeyri
Abends feiern rund hundert Leute an einer großen Tafel weiter, es sieht ein bisschen aus wie bei einer Karnevalssitzung. Auf
der Bühne steht noch die Krippe von der Weihnachtsaufführung, der Musiker Davíð Þór Jónsson, der zuvor schon das spontane
Wasser-Happening choreografierte, stellt sich auf die Bühne und liest im Nikolauskostüm und mit Schwert bewaffnet aus der
Bibel vor. Das Outfit und die Lektüre hatte er kurz zuvor auf dem Podium entdeckt. Die Künstler in den Reihen bejubeln ihn.
Am Ende hat Davíð noch eine Botschaft an alle Vegetarier: »Esst nichts, was Tiere essen.«
Sobald die Meute sich mit deftigen Speisen, viel Fleisch und Dosenbier gestärkt hat, geht es auf die Bühne: Der Drummer der
einen Band performt zusammen mit dem Sänger der anderen, manche stürzen sich auf Instrumente, die sie nicht beherrschen.Freunde der Musiker kreischen schief ins Mikrofon. Irgendwann knubbelt es sich nur noch auf der Bühne – und Mugipapa singt
»One Moment in Time«. Die Isländer, sie nutzen jeden Moment. Und zwar immer hundertprozentig.
Wie mache ich eine Performance?
Es ist wichtig anzufangen. Warte nicht auf die perfekte Idee, leg einfach los.
Nutze die Gedanken, die dir in den Sinn kommen.
Jede Idee klingt verrückt und albern, bevor du sie umgesetzt hast.
Wenn du Angst davor hast, dass deine Texte peinlich sein könnten, bau wie Sigur Rós in deinen Song Texte in einer erfundenen
Sprache ein. Ihre heißt »vonlenska« – also »Hoffnungsländisch«. Und deine?
Alles kann eine Performance sein: selbst ein angeklebter Schnauzbart oder eine Flagge im Feld.
Such dir ein Publikum: Geh auf die Straße oder lade Freunde zu einer Soirée ein (wenn man etwas ankündigt, hat man auch den
Druck, es wirklich umzusetzen).
Mach eine Performance mit Freunden zusammen, das fällt leichter.
Wenn dir gerade nichts einfällt, stelle deine Träume dar.
Du musst dich nicht verkleiden, immer hilfreich sind aber eine Videokamera, kleine Raketen, Tücher zum Zerschneiden, alte
Kleidungsstücke und Musik.
Woher kommst du? Zu wem gehörst du? Diese Fragen kommen schnell auf, wenn Isländer sich treffen. Meist dauert es nur wenige
Minuten, bis sie gemeinsame Bekannte oder direkte Verwandte ausmachen. Die Familienbande spiegeln sich auch in der Namensgebung
wider. Isländer haben keine Nachnamen in unserem Sinne, sie werden nach dem Vornamen des Vaters oder der Mutter benannt. Hallgrímur
Helgason zum Beispiel ist der Sohn (»son«) von Helgi, und Musikerin Björk Guðmundsdóttir die Tochter (»dóttir«) von Guðmundur.
Auch wer heiratet, behält stets seinen Namen.
Vigdís Finnbogadóttir, die ehemalige Präsidentin, kann ihren Stammbaum sogar bis zur Besiedlung zurückverfolgen. 34 Generationen. Es interessiert die Isländer genau wo sie herkommen und mit wem sie verbunden sind. Die engsten Verwandten kennen
sich natürlich, doch es passiert immer wieder, dass langjährige Freunde plötzlich feststellen, dass es direkte Verbindungen
zwischen ihnen gibt: zum Beispiel dass die Großmutter des einen und die Urgroßmutter des anderen Schwestern waren. Im ›Íslendingabók‹,
dem ›Buch der Isländer‹, steht alles drin – dazu gehört auch eine Website, bei der man die Namen von zwei Personen eingibt
und dann mit einem Klick den
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