Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
Bandmitglieder angepöbelt wird.
Es gibt Kritiker, die daraufhin ihre Arbeit an den Nagel gehängt haben – Björks Sohn Sindri Eldon zum Beispiel, der für das
englischsprachige Stadtmagazin ›The Reykjavík Grapevine‹ Reviews verfasste und selbst in einer Band spielt. Einem Theaterkritiker,
der immer mal wieder negative Berichte über Produktionen eines Hauses schrieb, wurde vom Theaterchef sogar zeitweise Hausverbot
erteilt. Dies musste er jedoch schnell wieder aufheben, weil sich die Öffentlichkeit dann wiederum darüber aufregte. Natürlich
war das Hin und Her eine perfekte Meldung für Zeitungen und Fernsehmagazine, die ja täglich gefüllt werden müssen. In Island
ist scheinbar alles eine Nachricht wert, und sei es auch noch so banal. Nach einigen Monaten auf der Insel kennen selbst Ausländer
die Hälfte der Vorgestellten entweder persönlich oder sind ihnen zumindest schon über den Weg gelaufen.
Sogar über Ausstellungen im hohen Norden des Landes wird berichtet. Jóna Hlíf und Huginn ließen sich eines Sommers vom Namen
einer Galerie in Akureyri inspirieren: Sie heißt DaLí, und natürlich dachten die beiden Künstler dabei an den spanischen Künstler
mit seinem gezwirbelten Schnurrbart. Bei der Eröffnung hängten Jóna und Huginn Packungen mit Schnauzbärte zum Ankleben an
die Wand: Es gab unter anderem die Varianten »Strong Man«, »Charlie Chaplin« und den »Chinese Man«. Jeder Besucher konnte
sich einen auswählen und so selbst Teil einer Performance werden. Nach einer halben Stunde liefen fast alle, waren es nun
Kinder, junge Männer oder ältere Frauen, mit angeklebten Bärten durch die Galerie und führten Fachgespräche zu Oberlippenbärten.
Ich wählte den »Strong Man«-Bart aus und beteiligte mich so gestärkt an der Unterhaltung. Damals war mein Isländisch noch
rudimentär, außer einigen Begrüßungsfloskeln konnte ich nicht viel sagen, aber durch Zufall hatte ich einige Wochen vorher
mit meinem Isländischlehrer über die Achtzigerjahre-Fernsehserie ›Magnum‹ gesprochen. Beim Unterricht übersetzen wir manchmal
Dinge, die mir in den Sinn kommen.
Dazu gehörte auch dieser Satz über den Ferrari fahrenden Hauptdarsteller: »Tom Selleck er eini maðurinn í heimi sem lítur
vel út með yfirvaraskegg.« Dies bedeutet: »Tom Selleck ist dereinzige Mann auf der Welt, der mit Schnauzer gut aussieht.« Ein Satz, der, wie ich finde, wahr ist und meist mit wohlwollendem
Nicken bestätigt wird. In gewisser Weise ist der Spruch zu meiner persönlichen Mini-Performance geworden, denn wann immer
ich aufgefordert werde, meine Isländischkenntnisse zu beweisen, sage ich diesen Satz.
Die Schnauzerperformance in Akureyri, rechts Huginn
Die Galeriebesucher in Akureyri liefen an jenem Tag auch später noch mit ihren Schnauzbärten durch die Innenstadt der »Metropole
des Nordens«, die rund 18 000 Einwohner hat. Es erinnerte mich ein bisschen an Karneval – und wer wie ich als Rheinländerin mit dieser Kultur aufgewachsen
ist, scheut sich ohnehin nicht vor Verkleidungen. Und das ist schon mal eine gute Voraussetzung, wenn man sich mit der isländischen
Lebensart und der Performance-Kunst vertraut machen will.
Ein Kostüm ist ja ebenso wie eine Uniform ein Schutz, man wird zu einer anderen Person: Dieser Methode bedient sich auch Björk,
die einst bei den Oscar-Verleihungen stolz mit ihrem Schwanenkostüm über den roten Teppich stolzierte und so für Furore sorgte.
Die Sängerin erfindet sich regelmäßig neu – musikalisch und optisch. Für ihr Album ›Volta‹ suchte sie abermals nach einem
neuen Charakter: Es sollte eine »elektro neon isländisch heimische fröhliche Kraft der Natur« sein, und das Outfit dafür fand
sie bei der Icelandic Love Corporation (ILC).
Die drei Künstlerinnen Eirún, Jóní und Sigrún sind berühmt für ihre fantasievollen und verspielten Kostüme und Performances.
Anders als bei vielen isländischen Künstlern sind ihre Auftritte genau durchchoreografiert, wenngleich sie trotzdem das Element
des Spontanen beinhalten – wie bei jedem Happening. Für ihre Shows kreieren die Künstlerinnen stets aufwändige Outfits, mit
denen sie sich in andere Fabelwesen verwandeln.
Die drei Protagonistinnen der Icelandic Love Corporation – Eirùn, Jóní und Sigrún.
Björk im Voodoo-Outfit der ILC
Eine neonfarbene Voodoo-Maske regte Björk dazu an, mit der ILC zusammenzuarbeiten. Noch während
Weitere Kostenlose Bücher