Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
die
Straßenlaternen Hamburgs.
Jóhannas Familie gehörte 1856 zu den ersten Siedlern in Flateyri, heute leben rund 300 Menschen im Fischerdorf an der Küste des Önundarfjörður, zeitweise waren es sogar 500. Ende des 19. Jahrhunderts befand sich in diesem Fjord eine der größten Walfangstationen des Nordatlantiks. Als sie eines Tages abbrannte,
wurde in der Nähe eine Fischmehl-Fabrik gegründet. Doch auch diese ist inzwischen geschlossen.
Einer der ehemaligen Tanks wird heute als Tonstudio genutzt, Bands aus ganz Europa schwören auf die besondere Akustik des
Steingebäudes. Die Mauern sind so dick, dass die Besitzer mit Dynamit Löcher in die Fassade sprengen mussten, umFenster einbauen zu können. Zeitweise wurde der Tank als Tischlerladen genutzt, doch nun hat Önundur (benannt nach dem Fjord,
in dem er aufwuchs) den ungewöhnlichen Ort zu seinem Reich gemacht. Die Isländer sind es gewohnt, sich Jobs zu schaffen, wo
es eigentlich keine gibt. Am liebsten arbeitet der 3 4-Jährige nachts im Studio »Tankurinn« (der Tank). Tagsüber ist er Musiklehrer im nahe gelegenen Ísafjörður, außerdem kümmert er sich
ein Mal im Jahr um den Sound beim Aldrei-Musikfestival.
Der einzige große Arbeitgeber Flateyris ist die Fischfabrik Eyraroddi, sie liegt am Hafen. Steinbutt und Wels werden dort
unter anderem verarbeitet, gefroren und nach Europa verschickt. Auch eine deutsche Firma bestellt Ware bei ihnen, dieser Kunde
sei besonders genau, sagt die Vorarbeiterin in der eiskalten Halle. Alle Stücke müssen gleich aussehen, manchmal werden sie
zurückgeschickt, wenn sie farblich einen winzigen Tick anderssind oder nicht die exakt gleiche Größe haben. Mit einem Lineal prüft die Angestellte deshalb die Ware für diesen Kunden.
In isländischen Geschäften wird der tiefgefrorene Fisch dagegen so verkauft, wie er ist. Rund vierzig Angestellte hat Eyraroddi,
einige kommen aus Polen, Thailand und von den Philippinen.Auch die siebzigjährige Jóhanna jobbte hier wie alle im Dorf als Teenager, heute arbeitet ihre Tochter als Buchhalterin in
der Fabrik.
Arktische Fischgründe
Bjarni mit Pausensnack: Eiszapfen
Obwohl in Island sonst eher Landflucht vorherrscht, kann sich Flateyri über neue Bewohner freuen. So gibt es zum Beispiel
ein britisches Ehepaar, das sich, ganz der isländischen Lebensart entsprechend, selbst einen Job geschaffen hat. Die professionellen
Tänzer bieten im Dorfschwimmbad Aqua-Aerobic-Kurse an. Während Nadia die Übungen macht, gibt ihr Mann Martin mit den Bongos
den Takt an. Die Kurse sind stets gut besucht. Ein weiterer Neuzugang des verträumten Ortes in den Westfjorden ist Bjarni
Þór Sigurbjörnsson. Der Mittdreißiger lebt eigentlich in Reykjavík, hat sich aber vor einem Jahr ein Haus in Flateyri gekauft.
Es war alt und heruntergekommen und teilweise ist es das noch heute. Doch da Bjarni gelernter Zimmermann ist, baut er es nun
Stück für Stück um.
Eigentlich ist er Künstler und wird in Reykjavík Bjarni Massi genannt, er war früher mal recht dick, daher massi. Hier in
Flateyri gaben ihm die Dorfbewohner einen anderen Namen, er heißt nun Bjarni Skór, da in seinem Haus vorher ein Schumacher
(skósmiður) lebte – für jeden Wohnort und Lebensstil einen eigenen Namen. In kurzer Zeit lernte er das ganze Dorf kennen;
jeder ist bereit, ihm zu helfen, wo es geht. So beauftragten sie ihn, einige Sommerunterkünfte zu renovieren. Viel Geld können
sie ihm nicht zahlen, aber es ist ein Anfang. Ein Freund von Bjarni sagte mal: »Nicht du suchst dir den Job aus, der Job sucht
dich aus.«
Weniger nachdenken, einfach machen
Nicht alle haben ihre Berufe tatsächlich erlernt. Wenn auf dem Land kein Tierarzt oder Ingenieur zur Stelle ist, muss man
sich eben etwas einfallen lassen. Manchmal endet es im Chaos, oft geht es aber auch gut. Isländer haben keine Schranken im
Kopf – sie legen einfach los, nach dem Motto: Wenn ich es nicht tue, macht es niemand. Der Dichter und Farmer Stephan G. Stephansson (1853 – 1927) schrieb dazu einen Vierzeiler, in dem es sinngemäß heißt: Ich war im Leben mein eigener Arzt, Rechtsanwalt, Pfarrer,
Schmied, König, Lehrer, Karre, Pflug und Pferd.
Ganz so viele Jobs hatte Stella Guðmundsdóttir zwar nicht, trotzdem erweitert die heute 7 2-Jährige immer noch ihr Spektrum. Früher arbeitete sie als Lehrerin und war Schuldirektorin, heute ist Stella Hotelchefin, Köchin,
Gärtnerin und
Weitere Kostenlose Bücher