Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
Heute müssen
sich viele einschränken, und meist haben sie dazu noch Kredite abzubezahlen. Doch wer seine Stelle verloren hat, nutzt die
Zeit der Unsicherheit, um sich neue Perspektiven zu schaffen: Eine Architektin engagiert sich für ein nachhaltiges Tourismusprojekt,
durch das sie später hoffentlich neue Aufträge bekommt, eine entlassene Bankerin studiert noch mal.
Stolz auf harte Arbeit
In Island wird das Leben seit jeher in zwei Jahreszeiten unterteilt: den dreimonatigen Sommer und den Rest des Jahres. Im
Sommer, wenn es fast rund um die Uhr hell und einigermaßen warm ist, betreiben die Isländer Landwirtschaft und kümmern sich
um das Heu für die Schafe. Da die Schüler in diesen drei Monaten früher ihre großen Ferien hatten, gingen die meisten Jugendlichen
arbeiten. Einige wurden im Sommer auf die Höfe von Verwandten und Bekannten geschickt, wo sie entsprechend ihres Alters mehr
oder weniger mithalfen.
Andere, wie Egill Helgason, verdienten sich ihr Taschengeld in der Fischfabrik. Der 5 1-jährige Journalist moderiert heute eine politische Talkshow und ein Literaturmagazin beim Fernsehkanal Sjónvarpið, der zur öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalt RÚV gehört. Er gilt als der wichtigste politische Kenner des Landes, oft loben ihn die Zuschauer für seine
Sendungen. Als Teenager jobbte Egill auf den Westmännerinseln, es war körperlichschwere Arbeit, manchmal schufteten sie 24 Stunden am Stück. »Wenn der Fisch kommt, muss er eben direkt zerlegt werden«, sagt Egill. Er mochte diesen Sommerjob. Vor
einigen Jahren traf der Journalist durch Zufall seinen ehemaligen Vormann wieder. »Du warst ein harter Arbeiter«, erinnerte
der sich. »Kein Lob war mir so wichtig wie dieses. Ich war wirklich stolz«, sagt Egill, ein kräftiger Mann mit roten Locken.
Obwohl er wöchentlich zwei Sendungen moderiert und produziert, führt er nebenbei seit über zehn Jahren noch einen Blog. Sogar
im Urlaub füttert er das Internettagebuch täglich mit Inhalt. Die moderne Technik macht es leicht, sagt er, und so viel Aufwand
sei das nicht.
Fast jeder Isländer hat, die Insellage macht es verständlich, einen starken Bezug zum Meer und zur Fischerei. Das Land ist
nach wie vor vom Fischfang abhängig, dieser macht einen Großteil der Exportwirtschaft aus. Da die Fischgründe besondersergiebig sind, konnten viele Gemeinden gut davon leben. Durch den Einsatz moderner Fangflotten kam es im 20. Jahrhundert jedoch mehrfach zu einer Überfischung der eigenen Gewässer. Also wollten die Inselbewohner ihre Schutzzonen erweitern.
1952 lag diese noch bei vier Seemeilen, seit 1975 ist die 20 0-Meilen -Zone anerkannt. Um das durchzusetzen, legten sich die sonst eher friedlichen Isländer sogar mit den Briten an, die der Erweiterung
der Schutzzonen zunächst nicht zustimmen wollten. Die Kabeljaukriege wurden jedoch am Verhandlungstisch geklärt. Manche sagen
scherzhaft, dass die Isländer diese »Kriege« nur gewannen, weil die Briten sich irgendwann zu Tode gelangweilt hatten.
Der kleine Hafen von Flateyri
Bloß nicht heimskur sein
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Island ein armer Bauernstaat unter dänischer Herrschaft, trotzdem kann seit dem 18. Jahrhundert jeder Bewohner lesen. Somit hatten die Inselbewohner den Schlüssel zum Lernen und Studieren in der Hand. Da es
inihrer Heimat nur wenige Studienmöglichkeiten gab – die erste Universität wurde 1911 in Reykjavík gegründet –, gingen viele Isländer für einige Jahre ins Ausland, bevorzugt nach Dänemark, Großbritannien, Frankreich und Deutschland.
Wie schon ihre Vorfahren begaben sich die Isländer also oft auf Reisen, und so kommt es, dass das Wort »heimskur« gleich zwei
Bedeutungen hat: »dumm« und »jemand, der zu Hause bleibt«. Wer niemals seine Heimat verlässt, erweitert seinen Horizont nicht.
Inzwischen benutzt man das Wort allerdings nur noch im Sinne von »Dummheit«.
Dorfpanorama
Jóhanna Kristjánsdóttirs Urgroßvater fuhr von den Westfjorden aus zum europäischen Festland. In Flensburg und Kopenhagen studierte
er Seefahrt und Navigation. Später unterrichtete er die lokalen Fischer in der ersten Seemannsschule der Region. Die Gewässer
im Nordatlantik sind gefährlich, trotzdem wagten sich die Männer, die meist nicht schwimmen konnten, täglich aufs Meer hinaus.
Haie waren besonders profitabel, aus ihrem Lebertran wurde Öl hergestellt und nach Europa verkauft, es beleuchtete auch
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