Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
selbst beigebracht und sogar eine energiesparende Farbpumpe entwickelt, mit der er die Totenbetten lackiert.
»Die Technik ist einzigartig auf der Welt«, da istsich der Tüftler sicher. Früher halfen ihm sein Vater und seine Mutter beim Herrichten der Särge. Doch seit die geliebten
Eltern gestorben sind, macht er alles alleine, näht auch die Kissen und Decken.
In seiner Werkstatt liegen alte Quelle-Kataloge aus Deutschland. »Ich habe sie früher in der Videothek verkauft und mir daraus
gerne Sachen bestellt. Werkzeuge und Kleidung zum Beispiel«, sagt Kiddi. Zuletzt blätterte er mal wieder im Katalog ›Heimwerken
& Garten‹, der bis Ende Januar 2003 gültig war. »Eine Schande, dass Quelle pleitegegangen ist.« Noch immer stehen in seiner
Nähecke Kartons des Versandhauses. In der Werkstatthalle trocknet gerade der Lack eines weißen Sargs.
Nachdem Kiddi im Vorraum die Meerschweinchen gefüttert hat, auf die er für verreiste Freunde aufpasst, fährt er zu seinem
dritten Arbeitsplatz: dem Cola-Automaten. Er liegt rund 35 Kilometer außerhalb, auf halber Strecke zwischen Egilsstaðir und Borgarfjörður eystri. Das mintgrüne Häuschen ist inmitten
der einsamen Landschaften leicht zu erkennen. »Coke sjálfsali«, Cola-Selbstverkauf, steht oberhalb des Eingangs. Die kleine
Hütte schützt den Automaten vor Wind und Wetter, die dazugehörige Solaranlage versorgt das Gerät mit Strom. Für ein paar Hundert
Kronen bekommt man außer Cola auch Bonbons, Lakritz-Schokolade, Chips, Limonade und Malzbier. Auf einem Klapptisch liegt ein
Gästebuch.
Das ungewöhnliche Häuschen am Rande der Straße ist längst zu einer Touristenattraktion geworden, auch die Isländer machen
hier regelmäßig Halt. Alle zwei Tage muss Kiddi den Automaten auffüllen, im Sommer sogar täglich. Da seinem Bruder das Land
gehört, brauchte er keine Genehmigung, um den Cola-Automaten 2001 aufstellen zu dürfen. Schon früher war dort ein einfacher
Rastplatz mit Holzbänken, allerdings ohne weitereAttraktion – von den weiten Lavafeldern und der Ruhe mal abgesehen. An diesem sonnigen Nachmittag laufen lediglich ein paar
Schwäne über die moosbewachsenen Lavafelder, in der Nähe ist ein kleiner Tümpel.
Wie kommt man auf die Idee, ausgerechnet dort einen Automaten aufzustellen? »Ich habe es geträumt«, erzählt Kiddi. Die Inspiration
sei so stark gewesen, dass sie ihm keine Ruhe ließ. Sein Vater war kurz vorher gestorben. Kiddis Mutter glaubte, dass die
Eingebung von oben komme, aus dem Himmel. Es warnicht das einzige Mal, dass er ungewöhnliche Träume hatte. Einmal erschien ihm im Schlaf ein Mann, dessen Totenbett er gerade
zimmerte. »Die Maße für den Sarg stimmen nicht«, sagte der Verstorbene zu ihm. Er sei viel zu klein. Am nächsten Morgen fragte
Kiddi noch mal bei den Angehörigen nach, und tatsächlich hatten die sich bei ihren Angaben vertan. »Das war schon ein wenig
unheimlich«, gesteht er.
Kiddi und sein Cola-Automat
Dass ihm seine drei Jobs mal zu viel werden könnten, glaubt der Isländer nicht. Im Gegenteil: Er ist ja auch noch DJ und Tänzer.
Manchmal legt er in rosa glitzernden Kostümen Siebzigerjahre-Hits auf und wird davon selber so mitgerissen, dass er über das
Parkett fegt. Seine Begeisterung fürs Tanzen kann man sich auch im Internet ansehen, eines der YouTube-Videos wurde schon
über 45 000 Mal angeklickt.
Der alleinstehende Isländer ist glücklich, seine vielen Leidenschaften ausleben zu können. Doch ein Problem bringen die vielen
Jobs dann doch mit sich: Er habe kaum Zeit für Urlaub. Zu seinem 54. Geburtstag flog er das erste Mal in seinem Leben ins Ausland – gemeinsam mit zwei Freunden nach Jamaika. Auch wenn sie dort
seine Lieblingsmusik nicht spielten, war die Reise für ihn ein tolles Erlebnis. Manchmal setzt er nun eine Rastalocken-Perücke
auf, wenn er vor seinem Publikum in der Disco tanzt.
Die Lust auf neue Dinge
»Nýjungagirni«, die Lust auf neue Dinge, zeichnet die Isländer aus. Veränderungen werden auf der Insel nicht als etwas Bedrohliches
angesehen, sondern sind normal und meist erwünscht. Von einem Kollaps der gesamten Wirtschaft mal abgesehen.
Initiativbewerbung auf isländische Art
Beginne mit: »Entschuldige bitte vielmals, dass ich erst jetzt dazu komme, mich zu melden.«
Hey, wir sind doch verwandt. Ich finde, der Job sollte in der Familie bleiben.
Finde positive Formulierungen. Statt »Ich bin klein
Weitere Kostenlose Bücher