Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
motivieren sollen. Sein Schreibtisch ist fast leer, am liebsten sitzt der neue Bürgermeister im zweiten
Zimmer, das eigentlich als Besprechungsraum gedacht ist. Um einen Glastisch sind drei Ledersessel und eine Couch gruppiert,
sein Laptop liegt auf einer Armlehne. Hier könne er gut nachdenken, sagt er. Von seinem Fenster aus blickt er direkt auf den
Tjörnin, den beliebten See mit seinen vielen Wasservögeln. Zum Büro gehört auch ein großes Badezimmer samt Dusche. »Sie funktioniert
aber nicht«, sagt er und stellt sich direkt darunter und dreht den Regler auf: »Siehst du, kein Wasser!« Ihm ist es egal,
er braucht so etwas nicht, alles Elitäre ist ihm fremd.
Man merkt dem inzwischen 4 4-Jährigen an, dass er ein bisschen müde ist. Der Komiker beschrieb sich selbst mal als »seltsam, aber auf eine liebenswerte Art«. Das trifft es, er will etwas Gutes schaffen und ist doch manchmal überfragt mit
all den Dingen, die er als Bürgermeister tun und entscheiden soll. Das gibt er in den Sitzungen gelegentlich offen zu. Anfangs
schmunzelten die Reykjavíker darüber, mittlerweile greift die Opposition ihn hart an, auch einige Bürger wurden zeitweise
ungeduldig. Besti Flokkurinn lässt sich nicht beirren, die Neulinge holen sich zu den jeweiligen Fachthemen Experten aus der
Stadtverwaltung und der Universität, denen sie vertrauen. Am Ende treffen sie dann gemeinsam mit den Sozialdemokraten eine
Entscheidung. Jón Gnarr muss in vielen Meetings und in Ausschüssen sitzen, Sparpakete schnüren, Menschen entlassen und Steuern
erhöhen. Das kostet viel Kraft. Zwei Mal in der Woche treffen sich die Abgeordneten und er in der Mittagspause zum Karate
– es stärkt und verbindet. Sogar einige aus der Opposition sind dabei, nur Hanna Birna, seine Vorgängerin, nicht.
Problembewältigung in drei Schritten
Lies keine Zeitung und schaue nicht fern. Die meisten Probleme gibt es dann gar nicht mehr.
Sollten sie trotzdem noch da sein, erkläre sie für langweilig.
Und sind sie dann immer noch da, nimm ein Bad im zwei Grad kalten Wasser. Dann hast du mit Sicherheit ganz andere Probleme.
Beim Vorstellen des ersten Haushaltsentwurfes sprach Jón Gnarr darüber, dass er mit seiner Partei etwas Neues bieten will,
das lustig, schön und frei von Wut und Bitterkeit ist. Und er betonte, wie wichtig Vergebung für eine Genesung sei. Damit
bezog er sich auf die Politiker, die Island und Reykjavík einst in die Krise führten. »Sie haben viele Fehler gemacht, wir
müssen daraus lernen, damit sie sich nicht wiederholen.« Doch sobald wir das akzeptiert haben, sollten wir über die Fehler
auch lachen können, ergänzt der Punk-Bürgermeister.
Mehr Spaß, das versprach er auch im Wahlkampf und dafür sorgt der Komiker und Schauspieler meist bei seinen öffentlichen Auftritten
selbst: So eröffnete er die Gay Parade als Drag Queen verkleidet, und er führte den »Guten Tag«-Tag ein. Damit möchte Jón
Gnarr die Reykjavíker animieren, fröhlicher in den Tag zu starten. Um zu zeigen, wie das geht, stellt er ein Video ins Internet,
in dem er auf unterschiedliche Art »GutenTag« sagt. Und sollten sie es vergessen haben, kleben auf einigen Ampeln in der Innenstadt nun Smileys.
Die positiven Seiten der Krise
Jón Gnarrs Botschaft ist, das Leben nicht zu ernst zu nehmen. Auch seine Mitbürger machen sich über die Krise lustig. Im Stadtführer
›Top Ten Reykjavík and Iceland‹ wird zum Beispiel die Top-Ten-Liste der »halbfertigen Gebäude und anderen Ikonen der Krise«
aufgelistet, dazu zählen unter anderem der Präsident und die riesige Konferenz- und Konzerthalle am Hafen. Außerdem gibt es
seit dem 8. Oktober 2008, an dem nicht nur die drei Banken zusammenbrachen, sondern auch das damit verbundene Weltbild, das Label »2007«.
Ein Auto hat die Krise
Alles, was vorher noch cool war wie glänzende, teure Range Rover, ist nun Gegenstand des Spottes. Sehen die Isländer jemanden
in einem protzigen Geländewagen, sagen sie nur noch abfällig »Ach, der ist ja voll 2007.« Auf einer Satire-Website steht diese
fiktive Anzeige: »Zu verkaufen! Goldener Range Rover, einen Monat alt, 200 Meter gefahren. Jetzt zu haben – im Austausch gegen Essen!« (Einige Isländer bekamen kurz nach dem Crash tatsächlich Anrufe
von Freunden und Verwandten aus Übersee, die ihnen anboten, Lebensmittel zu schicken.) Bis heute werden mit Autos Haltungen
wiedergegeben: In Downtown Reykjavík parkt
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