Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
anrief, der ihm in einer Spam-Mail 25 Millionen Dollar versprach. Der Komiker sagte, dies würde gut passen, da Island dringend Geld brauche, und gab dem Anwalt
die echten Bankdaten einer der politischen Parteien.
Auch in der T V-Comedy ›Fangavaktin‹, die Jón Gnarr mitgeschrieben hat und in der er eine der drei Hauptrollen spielt, thematisiert er das Finanzdrama.
In einer Folge sitzt der naive Ólafur Ragnar (der Name ist eine Anspielung auf den Präsidenten Ólafur Ragnar Grímsson) beim
Arbeitsamt und bittet um Unterstützung. »Sie sind also arbeitslos?«, fragt die Beamtin. Er schaut verdutzt: »Nein, nein, ich
habe einen Job, aber die Firma zahlt mir nichts.« Denn Ólafur Ragnar heuert mitten in der Finanzkrise als Immobilienmakler
an, wird jedoch nur beiVertragsabschluss honoriert. Jón Gnarr selbst verkörpert Georg Bjarnfreðarson, einen herrischen Kommunisten mit fünf Universitätsabschlüssen,
der jede Chance nutzt, sich unbeliebt zu machen. An seiner Seite stehen unfreiwillig Ólafur Ragnar und der depressive Daníel.
Jón Gnarr in seinem Reykjavíker Bürgermeisterbüro
›Fangavaktin‹ ist bereits die dritte Staffel der erfolgreichsten Comedyserie Islands, die dem Sender Stöð 2 Rekordquoten einbrachte. Die erste spielte in einer Tankstelle, die zweite in einem abgelegenen Landhotel. Da Georg dort im
Affekt die fiese Hotelchefin mit einer Bratpfanne erschlägt und Daníel die Schuld zuschiebt, spielt ›Fangavaktin‹ (übersetzt:
Gefängnisschicht) im Knast. Die Serie dreht sich nicht nur um die drei gescheiterten Existenzen, sie ist auch ein bitterböses
Porträt der Gesellschaft.
»Bei uns passieren gerade so viele absurde Dinge, da könnte ich täglich eine Radiosendung oder viele T V-Folgen füllen«, sagt Jón Gnarr (der eigentlich Jón Gunnar Kristinsson heißt, doch da seine Mutter »Gunnar« sehr schnell aussprach,
klang es wie Gnarr; inzwischen hat er seinen zweiten Vornamen offiziell ändern lassen, so flexibel ist die Namenskommission
heutzutage).
Der Komiker sitzt lässig auf einem der schwarzen Ledersofas im Kaupþing-Foyer. Unweit davon sind große Holztüren, hinter denen
sich ein pompöser Vortragssaal mit 300 Sitzplätzen verbirgt. »Das musst du dir ansehen«, sagt Jón Gnarr und geht einfach rein. Jeder einzelne Platz ist ein eleganter
Ledersessel mit aufklappbarer Armlehne, in der Steckdosen für Computer eingelassen sind. Er läuft nach vorne auf die Bühne,
am Rednerpult gestikuliert er in absurden Herrscherposen; dabei wird er von einer Überwachungskamera gefilmt. Keiner stoppt
ihn, schließlich ist er Jón Gnarr.
Eigentlich wollte er gemeinsam mit Freunden eine neue Serie über die Bankenbranche schreiben, doch dann gründete er imWinter 2009 zum Spaß eine Partei, »Besti Flokkurinn« (Die Beste Partei), und kandidierte bei den Reykjavíker Kommunalwahlen
als Bürgermeister. Früher interessierte er sich nicht sonderlich für Politik, doch im Rahmen der Krise verfolgte er dann doch
die Nachrichten. Ihm war damals langweilig, sagt er jetzt, Anfang Mai 2010, als ich ihn wiedertreffe. Er wollte zeigen, wie
absurd Islands Politik im Großen und im Kleinen ist. Reykjavík hatte in vier Jahren vier Bürgermeister. Immer wieder waren
innerparteiliche Streitereien der Grund für den Wechsel. Noch ist zu dieser Zeit Hanna Birna Kristjánsdóttir von der konservativen
Unabhängigkeitspartei im Amt, die Menschen mögen sie und halten sie für eine gute Politikerin, aber Hanna Birna gehört der
falschen Partei an – jener, die vor einigen Jahren die Privatisierungen ermöglichte, Klüngelwirtschaft betrieb und damit auch,
nach Ansicht vieler Bürger, eine große Mitschuld an der Misere hat.
Anfangs dachten die Reykjavíker, Jón Gnarrs Kandidatur sei nur ein Scherz. Schließlich verspricht er, nur sich und seine Freunde
zu bereichern, kostenlose Handtücher im Schwimmbad einzuführen, das Parlament bis 2020 von Drogen zu befreien und, ach ja,
Reykjavík zu entschulden. Wie? Das werde man dann sehen! An diesem Freitag im Mai sind es noch knapp drei Wochen bis zur Wahl.
In den Umfragen sieht es für den Satiriker und seine Partei gut aus, er könnte sogar die Mehrheit bekommen. Mittags schlendert
der ungewöhnliche Kandidat über den Laugavegur, die Bummelmeile der Hauptstädter. Viele Passanten halten an, als sie den Komiker
mit seinen rosafarbenen Luftballons sehen. Nur zu gern nennt Jón Gnarr ihnen noch mal
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