Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
eine »kleine Übung« gewesen, man solle erst mal warten, bis Katla losgeht. Dieser Vulkan
habe viel gefährlichere Konsequenzen. Seine Landsleute sind fassungslos, manche unterstellen dem eigenwilligen Präsidenten,
dass er sich mal wieder aufspielen wolle, denn Ólafur Ragnar steht gerne im Rampenlicht. Er selbst kommentierte die Kritik
an seinen Äußerungen damit, dass der Abschlussbericht zur Finanzkrise doch zur Genüge gezeigt habe, dass man potenzielle Bedrohung
offen diskutieren müsse.
Die Folge seiner Äußerungen war, dass kurz nach seinem Interview noch mehr Touristen ihre Reise nach Island absagten und die
Isländer versuchten, sie mit einer teuren Werbekampagne zurückzulocken. Viele eingeladene Reporter kamen, interessierten sich
aber mehr für den ungewöhnlichen Bürgermeister, den Reykjavík nun hatte. Seitdem erklärt dieser fast jede Woche Journalisten
aus der ganzen Welt, wie er mit Spaß das Rathaus eroberte. Die Asche selbst machten sich die Bewohner natürlich auch zunutze:
Sie füllten sie in Gläser und verkauften sie an Touristen, es gab eine Sonderedition von Briefmarken, in die Aschepartikel
eingearbeitet waren, außerdem kreierten Designer aus dem Staub ein Parfum. Die Isländer haben eben seit jeher gelernt, alles
zu verwenden. Immerhin ist bei dem Ausbruch kein Mensch ums Leben gekommen, sagen sie, und die diesjährige Ernte war ertragreicher
als die Jahre davor.
So mutig und kreativ, wie die Isländer ihren Alltag meistern, kleiden sie sich auch. Elegante High Heels, Strumpfhosen mit
Leopardenmuster, extravagante Strickkleider oder ausladender Haarschmuck gehören so selbstverständlich zum Stadtbild von Reykjavík
wie die Berge und das Meer. Auch Hundert-Kilo-Damen tragen selbstbewusst Miniröcke. Warum auch nicht? Sie zeigen, was sie
haben. Schließlich weiß sowieso jeder, wie man aussieht. Die Isländer gehen regelmäßig schwimmen und relaxen in den heißen
Pötten.
In Badesachen lässt sich bekanntlich wenig verbergen. Und das, was für die Allgemeinheit noch bedeckt ist, sehen zumindest
die gleichgeschlechtlichen Genossen unter der Dusche. In Island ist es Pflicht, sich vor dem Baden komplett nackt zu waschen.
Eine sehr hygienische Angelegenheit, für manche Ausländer allerdings anfangs eine Überwindung.
Die Isländer stellen sich gelassen den nackten Tatsachen: Klar, die eine mag ihre dicken Oberarme nicht so gerne, der andere
hätte lieber einen flachen Bauch, doch das ist für sie noch lange kein Grund, gehemmt durchs Schwimmbad zu laufen.
Während bei uns Einzelkabinen gefragt sind, gibt es in zahlreichen isländischen Schwimmbädern gar keine. Und wenn doch, bleiben
sie meist ungenutzt oder werden lediglich von Touristen aufgesucht. Die Isländerinnen selbst plaudern derweil inden Sammelkabinen mit Bekannten, cremen sich ausgiebig ein. Etliche, auch die mit der nicht so perfekten Modelfigur, fönen
und schminken sich nach dem Baden nackt. Anziehen kann man sich später. Und so sieht jeder alles – die Tattoos, Piercings,
Bindegewebsschwächen, überschüssige Pfunde und Falten der älteren Damen.
Dress to impress
Der Körper muss nicht perfekt sein, dafür aber das Outfit. Isländerinnen geben sich viel Mühe, individuell auszusehen. Und
sei es nur durch eine silberne Netzstrumpfhose oder eine glitzernde Papageitaucher-Brosche. Sie lieben es, ihre Kleidung neu
zu kombinieren, sind verspielt und couragiert. So werden gestreifte Oberteile mit karierten Hosen angezogen, rosa Teile mit
orangefarbenen gemischt, jedem, wie es ihm gefällt. Die Lust nach neuen Dingen zeigt sich auch beim Styling.
Während die allseits bekannten, teuren und günstigen Modeketten im Reykjavíker Einkaufscenter Kringlan vertreten sind, zeigen
die meisten einheimischen Designer ihre Kollektionen in 101 Reykjavík, jenem zentralen Viertel, wo sich die Straße Laugavegur befindet. Übersetzt bedeutet der Name übrigens »Weg der
heißen Quellen«. Früher gingen die Frauen über diese Straße zum Þvottalaugar, einer natürlichen heißen Quelle, in der sie
ihre Wäsche reinigten. Heute ist in der Nähe ein Schwimmbad, und der alte Weg dorthin ein Hot Spot des Nachtlebens und die
Shoppingmeile Islands. Da der Bürgersteig geothermisch beheizt wird, friert er selbst im Winter nie zu.
Isländer haben ohnehin ein anderes Kälteempfinden als wir Mitteleuropäer. Selbst bei Minusgraden laufen erstaunlich viele
mit geöffneten Jacken
Weitere Kostenlose Bücher