Alles Gold der Erde
konnten, würden die Leute von ›feuerfesten‹ Eisentüren erfahren, die sich in der Hitze verzogen, so daß sie nicht hatten geöffnet werden können. Die gefangenen Opfer waren gleichsam in eisernen Öfen geschmort worden.
Marny und Kendra schwankten die Washington Street hinauf. Sie japsten, husteten, wehrten sich gegen die Menge. Dann traf der Sturm sie mir aller Kraft. Hinter sich hörten sie die Flammen tosen. Sie wagten nicht, stehenzubleiben und einen Blick zurückzuwerfen.
Endlich, als die Straße sich in einem von Unkraut überwucherten Pfad verlor, erreichten sie den Berggrat. Marny stellte Geraldines Hütte auf die Erde. Dann sanken sie und Kendra ins Gras. Beide rangen nach Atem.
Hier oben gab es lediglich ein paar Baracken, um die der Sturm pfiff. Bei ihnen lagerten schon einige Flüchtlinge. Manche hockten stumm da und starrten regungslos mit leeren Gesichtern und glasigen Augen in die Tiefe. Marny und Kendra wurden sich der Gegenwart dieser Leute kaum bewußt. Sie sahen nur San Francisco – und San Francisco brannte nieder. Sie sahen es und hörten es: Dieses Bild glich einer Ruinenstadt, die man in einem Alptraum erblickte. Die Feuersbrunst war so gewaltig, daß sie den Himmel über Monterey rötete, das neunzig Meilen weiter südlich gelegen war. In diesem schrecklichen Licht konnte man alles so klar ausmachen, als schiene die Sonne mittags um zwölf.
In den ersten Minuten nahmen Marny und Kendra bloß ein Inferno von Flammen und Rauch wahr. Dann aber erkannten sie allmählich, was dieses schreckliche Licht ihnen enthüllte. Mauern brachen wie Glas und begruben unter sich alle Lebewesen. Auf lange Strecken hin waren die Straßen bereits Trümmerfelder. Glühende Asche lag dort, wo große Wohnhäuser gestanden hatten. Marny hatte einen Arm um Geraldines Hütte gelegt und den andern um ihre Knie. Sie zitterte vor Furcht angesichts dieses Grauens, das ständig entsetzlicher wurde. Dwight hatte ihr versichert, daß der Calico-Palast feuersicher sei. Welches Gebäude auf Erden aber konnte einen solchen Höllenbrand überstehen?
Sie hatte geglaubt, sie sei zu müde, um sich bewegen zu können. Doch sie wollte noch mehr sehen. Mühsam stand sie auf und schaute über die Dächer, die wie Stufen den ganzen Abhang bedeckten. Sie drehte den Kopf zur Seite. Die Dächer versperrten zum Teil die Sicht auf die Plaza. Sie erspähte indessen die Kearny Street.
Die Kearny Street brannte. Aber in den Flammen ragten noch einige Mauern auf, und eine davon war die Vorderfront des Calico-Palastes. Auch die Mauern des El Dorado standen noch, desgleichen die des Spielkasinos Verandah. Das Innere dieser Gebäude war vielleicht schon verbrannt; das solide Aussehen der Mauern gab ihr jedoch Hoffnung. Das Parker House hingegen war eine rauchende Ruine. Daneben erhob sich das prunkvolle Union Hotel, in dem Hiram wohnte. Es war fünfstöckig und galt als sehr massiv. Während Marny es noch betrachtete, stürzte die Vorderfront in die Straße. In der nächsten Minute krachten alle Mauern zusammen. Tausende von rotglühenden Backsteinen flogen auf die Straße. Die Flammenwand schien den Himmel aufzureißen.
Nun befand sich Hiram in der nämlichen Lage wie sie selbst nach dem Feuer an Weihnachten: Er hatte nichts mehr anzuziehen. Ich habe das alles schon einmal durchgestanden.
Und der Calico-Palast war nur zwei Türen entfernt vom Union Hotel.
Marnys Kopf sank herab.
»Bitte, lieber Gott«, flüsterte sie. »Laß mich das nicht alles noch einmal erleben …«
Doch nach einigen Minuten sah sie wieder auf; sie konnte einfach nicht anders. Das Feuer hatte in der Clay Street alles verwüstet, aber Marny seufzte vor Freude, als sie sah, wie die Männer von der Feuerwehr sich immer noch abplagten, damit der Brand nicht auch in der Washington Street zu wüten beginne. Pockets Buchhandlung war also noch unbeschädigt. Auch das Gebäude der Alta California und Blossoms Freudenhaus brannten nicht. Marny fragte sich, wie der Prediger auf der Plaza seinen Zuhörern wohl die Tatsache erklären werde, daß der Herr die Vernichtung so vieler ehrbarer Geschäftshäuser zugelassen, aber ausgerechnet das luxuriöseste Bordell verschont habe. Sie sah auch Männer, die in die Redaktion der Alta hinein- und hinausrannten. Damit die Zeitung am Morgen einen Tatsachenbericht über die Feuersbrunst veröffentlichen konnte, riskierten sie ihr Leben. Brave Männer, dachte Marny.
Überall an den Brandstätten sah sie Leute. Manche zappelten
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