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Alles Gold der Erde

Titel: Alles Gold der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bristow Gwen
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wie Marionetten, die von der Hand eines Wahnsinnigen gelenkt wurden. Andere Männer kämpften verzweifelt, um ihre Stadt zu retten. Aus ihren Schläuchen schossen Wasserstrahlen gegen brennende Wände. Sie befreiten hilflose Verletzte. In den Straßen, die noch nicht in Flammen standen, brachten sie Schießpulver zur Explosion, um einen freien Raum zu schaffen, den das Feuer nicht überspringen konnte. Diese tapferen Männer taten alles Menschenmögliche. Wenn das Feuer ausgebrannt war, würde manch einer von ihnen nicht mehr am Leben sein.
    Als Marny daran dachte, mußte sie plötzlich auch an Hiram denken. Sie wandte sich zu Kendra um, die im Gras kauerte. Sie hatte eine Hand vor die Augen gelegt, als wolle sie das Schreckensbild nicht sehen. Auch Kendra dachte natürlich an Hiram.
    Marny setzte sich auf die Erde und legte einen Arm um Kendras Schultern. Sie sagte nichts, aber Kendra schien ihr Mitgefühl zu ahnen. Nach einer Weile murmelte Kendra ohne aufzublicken:
    »Marny.«
    »Ja, mein Liebes.«
    »Wenn Hiram das nicht überlebt, Marny, dann will ich auch nicht weiterleben.«
    Was kann ich darauf antworten? fragte sich Marny. Irgendeine hübsche Phrase wie: ›Aber nicht doch, so darfst du nicht denken?‹
    Marny sagte:
    »Liebe Kendra, ich weiß keine Antwort.«
    »Du brauchst auch nicht zu antworten«, erwiderte Kendra. »Ich will nur selber reden. Ich habe alles verloren, was ich besaß. Ich habe versucht, mutig zu sein. Marny, du weißt, daß ich es versucht habe.«
    »Du hast es nicht nur versucht, Kendra. Du bist tapfer gewesen. Du bist der tapferste Mensch, den ich kenne.«
    »Ich werde es nicht noch einmal versuchen. Marny, ich kann nichts mehr hinnehmen.«
    Marny streichelte Kendras Haar. Sie wußte nichts zu sagen. Sie ließ Kendra weiterreden.
    »Ich habe ihn doch gerade erst gefunden, Marny. Und wenn ich ihn jetzt verliere – das kann ich nicht ertragen.« Kendra schaute auf die brennende Stadt hinab. »Marny, als ich heute abend vom Theater zurückkam, da war ich so glücklich wie noch nie. Eine ganz neue Welt hat sich vor mir aufgetan. Und ich habe erst einen Blick hineingeworfen.« Sie zitterte. »Marny, vielleicht bin ich feige. Aber wenn ich Hiram verliere, dann will ich nichts mehr vom Leben. Ich fange nicht wieder an.«
    Geraldine und ihre Jungen waren eingeschlafen. Marny wünschte, auch Kendra möge vor Erschöpfung in Schlaf sinken. Doch so einfach lagen die Dinge nicht. Menschen waren nun einmal komplizierter als Katzen. Endlich fand Marny ein paar Worte:
    »Kendra, ich kann dir keine Hilfe anbieten. Aber ich bin deine Freundin, und was auch immer geschieht, ich werde dir beistehen. Das ist alles, was ich sagen kann.«
    »Ich weiß«, antwortete Kendra.
    Es wurde wieder still zwischen ihnen. Um sie herum waren die Stimmen der anderen Leute zu hören. In der Tiefe brauste das Feuer. Und die Stadt ging zugrunde.

64
    Die Feuersbrunst schien kein Ende zu nehmen. Stundenlang tobte der Brand. Weder Kendra noch Marny hätten sagen können, wie viele Stunden nun schon vergangen waren. Ihr Zeitgefühl war in dieser Nacht so verwirrt wie jedes andere Gefühl.
    Sie bebten im jaulenden Sturm. Unter ihnen barst die Stadt auseinander. Bei jedem Krachen dachte Kendra an die Menschen, denen dieses Krachen den Tod brachte. Bei jedem Krachen schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel: Guter Gott, nicht Hiram. Bitte, lieber Gott, nicht Hiram …
    Wie hilfsbereit hatte sich Hiram den Feuerwehrleuten angeschlossen. Als anständiger Mensch hätte er sich gar nicht anders verhalten können. Ach, schrie es in ihr, wenn er doch bloß dieses eine Mal ein Feigling gewesen wäre! Doch sogleich wußte sie auch, daß sie dies nicht gewünscht hätte. Hiram war kein Mensch, der alles nur halb machte. Dann hätte sie ihn nämlich nicht lieben können. Diese eine Erfahrung, die sie mit einem Mann jener Art, mit Ted, gemacht hatte, genügte ihr. Kendra hörte wiederum ein Krachen und sah unzählige Funken in den Himmel stieben.
    Von neuem flehte sie zu Gott, er möge Hiram beschützen. Neben Kendra hockte Marny geduckt im Gras. Sie war vor Übermüdung fast erstarrt. Wie Norman gesagt hatte, waren ihre Nerven durch den Zusammenstoß mit Pollock bis zum Zerreißen gespannt. Nun setzte die Nachwirkung ein. Doch trotz ihrer Ermüdung bemerkte Marny, daß sie jetzt von einem Licht umgeben war, das sich vom grellen Glanz des Brandes unterschied. Es war das Tageslicht. Der Morgen hatte begonnen. Sie waren die ganze Nacht hier

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