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Alles Gold der Erde

Titel: Alles Gold der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bristow Gwen
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wahr?«
    Sie nahmen alle am Tisch Platz. »Ehrlich gesagt, ist mir schauderhaft zumute«, gestand Marny. »Es war das erste Mal, daß man sozusagen in meinem Vorgarten einen Mann gehängt hat. Ich bin jetzt noch ganz durcheinander.«
    »Uns allen geht es so«, erwiderte Hiram freimütig. »Wir sind an derartige Dinge nicht gewöhnt.«
    »Gleichzeitig habe ich aber das Gefühl, eine schwer Last sei mir vom Rücken genommen worden«, sagte Pocket. »Das hätte schon längst geschehen sollen. Wir unternehmen wenigstens etwas, anstatt nur zu behaupten, es müsse etwas unternommen werden.«
    »Meinen Sie denn, dieses Ereignis bringt ihnen jetzt Manieren bei?« fragte Marny.
    »Nein«, antwortete Hiram und Pocket einstimmig. Hiram erklärte:
    »Wir gehen zu einer neuen Konferenz. Schon wird darüber geredet, daß die Rowdies sich an uns rächen wollen. Man fürchtet neue Einbrüche, neue Brandstiftungen, neue Morde. Niemand weiß, was dieses Pack plant. Aber wir sind gewappnet.«
    »Und ihr werdet wieder so handeln wie gestern?«
    »Ja«, sagte Hiram ohne Zögern. »Wenn ihnen ein Gehängter nicht genügt, dann werden wir sie alle aufhängen.«
    »Das werden wir machen«, beteuerte Pocket ruhig.
    Im Leitartikel der Alta wurde die Hinrichtung des Jenkins gebilligt. Am Tage darauf veröffentlichte die Zeitung die Verfassung des Sicherheitsausschusses und die Namen der Mitglieder. Sie gingen grimmig und entschlossen auf dem Wege weiter, den sie eingeschlagen hatten. Bewaffnete Posten schützten die Kaianlagen, überprüften die einlaufenden Schiffe und ließen keine entwichenen Sträflinge an Land. Andere Gruppen statteten bekannten Verbrechern einen Besuch ab und empfahlen ihnen, San Francisco zu verlassen. Sie führten eine so kräftige Sprache, daß einige dieser Schurken sich in aller Eile an Bord der Flußschiffe begaben. Zum Ärger der Zurückgebliebenen brachten die den Fluß abwärts kommenden Schiffe jedoch die Nachricht, daß sich auch in Städten des Binnenlandes Sicherheitsausschüsse gebildet hatten.
    Die gewählten Volksvertreter tobten. In ihrer Wut schrien sie, das Treiben der Ausschußmitglieder sei illegal.
    »Natürlich ist es illegal«, meinte Hiram. »Illegal sind aber auch Mord, Brandstiftung und Einbruch. Daran hätten diese Herren denken sollen.«
    »Langsam bessern sich die Verhältnisse«, sagte Marny. »Ihr sorgt dafür, daß man in dieser Stadt friedlich leben kann. Übrigens bringen die Flußschiffe jetzt auch wieder Eis.«
    Hiram hatte eine Schachtel mit Mandelkuchen bei sich, den Kendra für sie gebacken hatte.
    »Wenn Sie nachher fortgehen, Hiram, kehren Sie dann in die Bank zurück?« fragte Marny.
    »Ja. Kann ich etwas für Sie erledigen?«
    »Könnten Sie vielleicht ein paar Minuten opfern und mich zu der Buchhandlung begleiten? Ich möchte mit Pocket sprechen. Es dauert nicht lange, bis ich angezogen bin.«
    »Würden Sie mir nicht lieber eine Nachricht für Pocket mitgeben? Dann könnten Sie sich doch den Weg hin und zurück ersparen.«
    Marny schüttelte den Kopf. »Nein, das ist eine Privatangelegenheit. Ich möchte gern mit ihm in seinem Büro reden.«
    »Gut. In diesem Fall wird es mich freuen, Sie zu begleiten.«
    »Schön«, meinte Marny. »Einer seiner Angestellten wird mich gewiß zurückbringen.«
    Sie ging hinaus. Hiram las die Alta und kaute Mandelkuchen. Als Marny wieder eintrat, trug sie ein dunkelblaues Seidenkleid und einen dazu passenden Hut. In der Hand hielt sie eine Skizzenmappe, wie sie auch Bruno Gregg verwendete. Falls Hiram neugierig war, so sagte er doch nichts, und sie war ihm dankbar dafür.
    Marny und Hiram machten sich auf den Weg zu Pocket.
    Der Brand lag nun sechs Wochen zurück. Viel Trümmerschutt war beseitigt worden, aber noch nicht genug. An aufgeräumten Stellen stapelten sich Steine und Holz für die Neubauten. Die Sägen kreischten, und die Hämmer dröhnten.
    Vor der Buchhandlung standen Zimmerleute auf Leitern und ersetzten einen Fenstersturz, der von Feuerfunken versengt worden war. Hiram führte Marny zu einem Seiteneingang und dann die Treppe hinauf zu Pockets Büro. Er klopfte an, und da er keine Antwort erhielt, öffnete er die Tür.
    »Warten Sie hier. Ich suche ihn.«
    Hiram stieg wieder die Treppe hinunter. Mit ihrer Mappe unter dem Arm trat Marny über die Schwelle. Ein wenig überrascht schaute sie sich um.
    Sie wußte nicht, wie sie sich Pockets Büro vorgestellt hatte; eine so ruhige und sachliche Atmosphäre hätte sie jedoch nicht

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