Alles Gold Der Erde
kümmern.«
»Stimmt. Ich war's auch nicht. Aber jetzt bin ich in der geeigneten Stimmung. Mich interessiert dieser Mr. Archwood. Aber Sie haben ihn zuerst kennengelernt. Wollen Sie ihn haben?«
»Um Himmels willen!« rief Kendra aus. »Nein!«
»Sie haben einen guten Eindruck auf ihn gemacht«, mahnte Marny. »Falls sie ihn bloß ein bißchen ermutigen, will er Sie vielleicht heiraten.«
»Ach, hören Sie auf!« entgegnete Kendra kurz.
»Einen Augenblick! In dieser Stadt sind alle wahnsinnig, und das wird noch schlimmer werden. Es kann Monate dauern, ehe eines dieser Schiffe den Hafen verläßt. Sie können jetzt nicht nach den Vereinigten Staaten zurück. Es wäre demnach sehr nützlich, einen Mann zu haben.«
»Ich will keinen Mann.«
»Kendra, denken Sie einmal nach. Ich lasse Ihnen die Wahl. Also wollen Sie Mr. Archwood?«
»Nein.«
»Sind Sie sich ganz sicher?«
»Ja.«
»Gut denn«, erklärt Marny. »Ich will ihn haben.«
Sie nahm die Karten vom Tisch, spielte einen Moment mit ihnen und legte sie wieder hin.
»Marny, was haben Sie vor?«
Langsam, als überlegte sie jedes Wort, antwortete Marny:
»Nun, meine Liebe, zur Zeit bin ich das, was man eine unbeschäftigte Abenteurerin nennen könnte.« Wieder nahm sie die Karten, betrachtete sie und fuhr dann fort: »Delbert hat mir einen richtigen Schock versetzt, als er mit meinem Goldstaub durchgegangen ist. Man braucht Kapital, um einen neuen Calico-Palast zu gründen, und ich weiß nicht, ob ich genug habe. Es scheint so, als hätte Mr. Archwood das nötige Kleingeld.«
Nachdenklich prüfte sie seine Vorzüge:
»Er hat Geld zum Investieren. Er verfügt über die guten Manieren eines Gentleman. Es ist keine Frau da, die Unruhe stiften könnte. Ihm gehört ein Bauplatz. Und der Bauplatz ist an der Plaza gelegen – geradezu ideal für einen Spielsalon. Er muß hierbleiben, bis diese Matrosen zurückkommen. Deshalb kann er seine Zeit nützlich verbringen. Schließlich ist er ja nach Kalifornien gereist, um Erfahrungen zu sammeln.«
Wieder sagte sich Kendra, daß Marny in der Tat wie eine Katze war. Eine bezaubernde Katze gewiß, aber selbst die liebenswerteste Katze hatte ein Gespür für das wärmste Fleckchen in einem Raum, und dorthin schlich sie sogleich. Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte, fächerte Marny die Karten schön und geschickt wie immer auseinander, dann schob sie das Spiel zusammen.
»Kendra, ich glaube, Ihr Freund Mr. Archwood wird sich verlieben.«
Am nächsten Morgen stellten sie beim Erwachen fest, daß die Sonne durch den Nebel brach. Der Tag mußte heiter werden. Während der Kaffee auf der Heizpfanne dampfte, machte Marny einen Vorschlag. »Hat Archwood nicht gesagt, er werde Sie heute besuchen? Warum laden Sie ihn nicht zum Essen ein? Ich besorge Essen und Trinken und helfe auch sonst, wo ich nur kann.«
Kendra war noch nie gebeten worden, einem Frauenzimmer zu einem Manne zu verhelfen. Die Angelegenheit faszinierte sie, zugleich aber wußte sie nicht recht, wie sie ihre Rolle spielen sollte. »Und bei diesem Essen – wollen Sie mich dabei haben?«
»Natürlich. Wir werden Hiram und Pocket einladen und eine Party veranstalten. Wir tragen die Heizpfanne ins Freie und braten Steaks über der Holzkohle. Brauchen Sie irgendwelche Kleider? Bevor ich nach Shiny Gulch ging, habe ich in einem Lagerhaus einen Schrankkoffer untergestellt.«
Kendra erzählte ihr von dem Koffer, den ihre Mutter in der Obhut von Mrs. Chase zurückgelassen hatte. Marny erklärte, sie werde einen Wagen beschaffen und beide Koffer holen. Zusammen mit ihnen brachte sie Steaks, Kartoffeln und Kürbisse, Brot, Butter und einen vorzüglichen französischen Wein, den sie bei Mr. Fenway besorgt hatte. Ihn hatte sie wissen lassen, daß sie nur das Allerbeste wünsche, gleichgültig, wie teuer es sei. Hiram und Pocket würden sich ebenfalls einfinden. Tatsächlich waren sie bereits da. Daß dieses Essen den Zweck habe, Mr. Archwood zu betören, hatte sie den beiden allerdings nicht mitgeteilt; sie errichteten nun eine Art Pavillon, in dem das Essen gekocht und aufgetragen wurde ohne daß die Fliegen sie störten. Kendra ging mit Marny hinab und fand den Pavillon geradezu luxuriös. Marny fand ihn gleichfalls nett.
Als die Männer fertig waren, gingen sie fort, um sich neue Hemden zu kaufen. Kendra packte nun ihren Koffer aus. Dann kam Serena Watson, die Frau des Angestellten, herauf und meldete ihr die Ankunft des Mr. Archwood im Laden. Kendra stieg
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