Alles Gold Der Erde
und furchtsam gewesen, und Loren war wie ein Held zu ihrer Rettung erschienen. Doch wann immer sie grübelte, fragte sie gleichzeitig voller Verzweiflung: Warum, warum nur war ich eine solche Närrin? Warum habe ich mich nicht besser gekannt? Denn falls es einer Bestätigung überhaupt noch bedurft hätte, so zeigte ihr die Heirat mit Loren von neuem, daß der einzige Mann, den sie sich wünschte, Ted war.
Loren liebte sie. Er hatte sie sogleich geliebt, war jedoch vor einer Romanze an Bord zurückgescheut. »Wenn man seine erste Seereise macht«, erzählte Loren, »warnen einen die älteren Matrosen: Wenn du sechs oder acht Wochen nur unter Männern das eintönige Leben auf einem Handelsschiff geführt hast, so findest du alle Frauen schön, und ein wirklich reizvolles Mädchen gleicht gar Helena. Wie verliebt man sich auch fühlt, nie darf man sich auf einer Reise mit einem Mädchen einlassen. Man muß abwarten, um herauszubekommen, was an der Sache tatsächlich dran ist. Meist ist nämlich gar nichts dran.« Loren hatte selbst erlebt, daß die erfahrenen Seeleute recht hatten. Mehr als einmal hatte er sich in eine hübsche Passagierin vernarrt und dann im Hafen festgestellt, daß er sich bloß deshalb in sie vernarrt hatte, weil sie eben das einzige weibliche Wesen an Bord gewesen war. Nach einer Woche hatte er den Flirt vergessen.
Also hatte er auch Kendra in San Francisco zurückgelassen und war mit Captain Pollock wieder in See gestochen. Er hatte warten wollen, ob sie bei seiner Rückkehr immer noch so charmant sei, wie er geglaubt. Doch war dann der Ärger mit Marny gekommen, und er hatte die Cynthia nicht mehr betreten. Er mußte sich eine neue Existenz schaffen. Er ging nach Monterey zu einem Kaufmann, und in seiner Abwesenheit heiratete Kendra dann Ted Parks.
»Danach habe ich natürlich versucht, Sie aus meinem Gedächtnis zu tilgen. Aber glauben Sie mir, Kendra: Ich war sehr enttäuscht.«
Er lächelte sie zärtlich an.
»Aber jetzt ist ihre Heirat ja nichtig, und jetzt bin ich da.«
Alles verlief glatt. Loren ging zum Alkalden, der Kendras Eheschließung annullierte. Mr. Chase zeigte sich so befriedigt, daß er den Vorschlag machte, die Heirat in seinem eigenen Haus zu feiern. Mrs. Chase servierte Wein und Waffeln. Mr. Fenway schaute so trübselig in die Gegend, wie er dies immer zu tun pflegte: Offenbar war er der Meinung, die Leute sollten doch endlich mit dergleichen aufhören.
Einige Tage vor der Trauung schenkte Marny ihrer Freundin einen bestickten Seidenschal aus China. »Ich werde an der Zeremonie nicht teilnehmen«, erklärte sie dabei. »Wenn Mr. Chase mich nicht einmal in seinem Laden haben wollte, dann wird er mich noch weniger in seinem Salon dulden. Aber ich denke an Sie und wünsche Ihnen alles Gute.«
Sie sprach ernst, wenngleich sie – wie Kendra später entdeckte – daran zweifelte, daß diese Heirat das richtige sei. Marny verstand nicht, wieso Kendra noch immer Ted liebte, aber Kendra liebte ihn nun einmal, und Marny wußte das. Freilich war sie nicht um ihre Meinung gefragt worden, und also äußerte sie sich auch nicht weiter.
In Wahrheit verhielt sie sich so, daß Marny einfach nicht glaubte, ihre Meinung spielte eine Rolle. Marny zählte nicht zu jenen Leuten, die sich für berechtigt halten, andern ihren Rat in allen nur möglichen Angelegenheiten unter der Sonne aufzudrängen. Hätte sie Kendra bei einem Spiel mit aussichtslosen Karten erwischt, dann hätte sie ihren Senf dazugegeben. In Karten kannte sie sich hinlänglich aus. Über die Ehe wußte sie indessen nichts, und da sie klug genug war, dies einzusehen, hielt sie ihren Mund.
Nach der Feier begaben sich Kendra und Loren in ihr eigenes Heim, das sich Loren mit viel Glück und Verstand gesichert hatte. Ein Kaufmann, dem ein Haus in der Washington Street gehörte, wollte nach Kanton reisen. Seit drei Monaten wartete er auf ein Schiff. Schließlich gab der Kapitän der Rhone bekannt, er habe nun genug Leute, um unter Segel zu gehen. Der Kaufmann buchte eine Passage und verkaufte sein Haus an einen Grundstücksmakler. Dieser neue Besitzer überließ den Bau zunächst einem Agenten, der die Wohnungen vermieten sollte; er selber beschied sich, bis die Preise stiegen.
Das Haus war schlicht, aber massiv. Die Miete entsprach etwa der, die man in den Vereinigten Staaten für eine Villa zahlen mußte. Loren verdiente jedoch gut, und er hatte in Honolulu seinen Goldstaub in Münzen eingewechselt, die rar waren. Loren
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