Alles Gold Der Erde
besuchte den Agenten und zeigte ihm Goldmünzen, mit denen er die Miete für ein halbes Jahr im voraus entrichten konnte. Für Kendras Annehmlichkeiten hatte Loren alle Vorsorge getroffen. »Ich muß häufig Geschäftsreisen machen«, sagte er, »deshalb ist es nicht ratsam, wenn du allein lebst. Ich habe Watson, den Angestellten von Chase & Fenway, gefragt, ob er nicht mit seiner Frau Serena in die zwei Räume im ersten Stock ziehen will. Die beiden waren hoch erfreut. Serena wird die Hausarbeit besorgen, so daß du dich nicht mit aller Plackerei herumzuschlagen brauchst, und in meiner Abwesenheit ist ein Mann im Haus.«
Kendra fühlte sich nicht unglücklich. Loren war so freundlich, so fröhlich, so vernünftig, daß man gut mit ihm auskam. Obendrein liebte er sie. Doch wenn sie sich auch Mühe gab, ihn ihrerseits zu lieben, es wollte ihr nicht gelingen. Sie wußte, daß Liebe sich nicht kommandieren läßt. Weder schwindet sie, wenn sie eigentlich hätte schwinden sollen, noch ist sie herbeizuzwingen, wenn sie eigentlich hätte empfunden werden müssen.
Einige Tage vor Weihnachten fragte Loren, ob sie nicht an einem Ball im Comet House teilnehmen wollten.
Diese Worte trafen Kendra wie ein Messerstich. Ein Tanz in jenem Salon, wo sie sich in Ted verliebt hatte – nein, das konnte sie nicht, das konnte sie wirklich nicht über sich bringen. »In der Küche muß etwas angebrannt sein«, rief sie und rannte aus dem Zimmer. Als sie ihre Stimme wieder unter Kontrolle hatte, kehrte sie zurück und sagte zu Loren:
»Anstatt auszugehen, könnten wir doch lieber etwas Überraschendes machen. Warum geben wir nicht ein gutes altmodisches Weihnachtsessen für ein paar Freunde? Würde dir das nicht gefallen?«
Loren strahlte über diesen Einfall. »Ja das gefällt mir sehr! Aber macht dir das nicht zuviel Arbeit?«
»Ach, Loren, nimm doch nicht so viel Rücksicht auf mich. Du weißt doch, daß ich immer gern koche, und außerdem kann mir ja Serena helfen.«
Er lachte in der Vorfreude. »Einen Truthahn wird's wohl in ganz San Francisco nicht geben, aber wie wäre es mit einem Schinken?«
»Schön«, sagte Kendra.
Das Festessen war großartig. Die Gäste waren Mr. Chase nebst Gattin, Mr. Fenway sowie die beiden Offiziere Morse und Vernon. Die Leutnants entschuldigten sich, weil sie so gefräßig seien; dies sei jedoch ihre erste gute Mahlzeit seit Monaten. Mr. Chase und Frau versicherten, Kendra sei in der Tat eine ausgezeichnete Köchin. Sogar Mr. Fenway murmelte einige Lobesworte. Loren, der zum erstenmal Gastgeber in seinem eigenen Haus war, wußte sich vor Vergnügen kaum zu fassen.
Am Neujahrstag war es kalt und wolkig, der Regen fiel in Schauern. Wiederum hatten Loren und Kendra Gäste, denn in San Francisco leben nun noch mehr einsame Männer als früher. Firmen aus andern Hafenstädten der pazifischen Küste hatten Vertreter in das Goldland geschickt, die hier Zweigstellen errichten sollten. Manche dieser Fremden hatten Frauen, die meisten jedoch nicht. Allesamt litten sie unter Heimweh, allesamt verabscheuten sie den Schmutz und die Rauheit, allesamt verlangte es sie nach einem zivilisierten Dasein. Am ersten Tag des Jahres 1849 machte sich eine Schar dieser einsamen jungen Leute auf den Weg, um ein wenig Zivilisation in das Leben der Stadt zu bringen. Sie kleideten sich in Gesellschaftsanzüge, streiften Glacehandschuhe über, zogen Lackschuhe an und brachen zu einem Rundgang durch das verregnete San Francisco auf.
Kendra war von Loren auf den Besuch vorbereitet worden. Sie saß mit Kuchen und Wein am Kamin. Die jungen Männer brachten ihr Geschenke: Bücher und Süßigkeiten, Walnüsse und getrocknete Früchte. Dann machten sie blumige Komplimente, wünschten ihr ein glückliches neues Jahr, verbeugten sich und zogen weiter. Ihre schmutzigen Fußspuren hinterließen sie auf dem Teppich. Dieser Dreck machte Kendra nicht viel aus, denn derlei hielt sie – wie ihre Arbeit für den Calico-Palast – vom allzu vielen Nachdenken ab.
Eine Woche danach reiste Loren im Auftrag seiner Arbeitgeber nach Oregon. Mrs. Chase versprach, sich um Kendra zu kümmern. Sie lud Kendra sowie Ralph und Serena Watson zu einem Hauskonzert ein. Mrs. Chase war eine gutmütige Seele. Zwar war sie nicht allzu gebildet, immerhin jedoch las sie gern spannende Geschichten, kannte sich in Gesellschaftspielen aus und hörte mit Vorliebe Musik, für die sie ein natürliches Empfinden hatte. Unter den kürzlich eingetroffenen
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